Erstmals fand der Neujahrsempfang am Sonntag als virtuelle Veranstaltung statt. Brandl wurde per Video zugeschaltet – und fand deutliche Worte dazu, was aus seiner Sicht in der Corona-Pandemie schiefläuft. „Ich habe den Eindruck, dass die Gesellschaft erschöpft ist“, sagte Brandl, der seit 28 Jahren Bürgermeister von Abensberg (Kreis Kelheim) ist. Der Föderalismus in Deutschland mitsamt seinen unterschiedlichen Regelungen verunsichere die Menschen in der aktuellen Situation. Darüber hinaus gebe die Politik kein gutes Bild ab, wenn Uneinigkeit in Regierungskoalitionen herrsche. Brandl kritisierte insbesondere die unterschiedlichen Aussagen zu möglichen Lockerungen, die aus der bayerischen Koalition aus CSU und Freien Wählern kamen.
Er vermisse im Umgang mit der Pandemie teils das Verhältnismäßigkeitsprinzip, sagte Brandl. Im vergangenen November und Dezember seien die Schulen und Kindertagesstätten – „koste es, was es wolle“ – offengehalten worden. Gleichzeitig seien Restaurants trotz ausgeklügelter Hygienekonzepte geschlossen worden. Schulen, Kitas und den Nahverkehr sieht Brandl wegen der Nähe der Menschen, die dort zusammenkommen, als besonders gefährdet für Ansteckungen an. „Wir sollten überlegen, ob andere Bereiche mit weniger starker Infektionsgefahr früher geöffnet werden sollten“, sagte er.
Scharf kritisierte Brandl, dass derzeit privilegierte Unternehmen wie Supermärkte, die geöffnet haben dürfen, in andere Geschäftsfelder vordringen. Als Beispiel nannte er Discounter, die Floristen einstellen würden, um den Kunden frisch gebundene Blumensträuße anbieten zu können. Das schade den geschlossenen Gärtnereien und Blumengeschäften nachhaltig. Der Gemeindetagpräsident gab auch zu bedenken, dass sich die Schwarzarbeit massiv ausbreiten werde, wenn zum Beispiel Friseurbesuche weiter unterbunden werden.
Kritik hatte Brandl jüngst geerntet, nachdem er in einer Radiosendung gefordert hatte, die 15-Kilometer-Regel für Hotspots mit der Auswertung von Handydaten zu überwachen. Beim Neujahrsempfang der Selbstständigen bekräftigte er, man müsse digitale Möglichkeiten für die Kontaktverfolgung nutzen. Brandl sprach sich außerdem dafür aus, dass Geimpfte wieder bestimmte Rechte erhalten sollten. Er glaube, dass zum Beispiel ohne Probleme wieder Konzerte angeboten werden könnten, die ausschließlich geimpfte Personen besuchen. Auch die Verfügbarkeit von Corona-Speichel-Schnelltests für zu Hause müsse weiter vorangetrieben werden. Restaurant- und Hotelbesuche müssten mit einem solchen negativen Test wieder möglich sein, forderte er.
Die Wirtschaft sieht Brandl nach der Corona-Pandemie vor riesigen Herausforderungen. Die Pandemie überlagere derzeit große Veränderungen, die insbesondere durch die Digitalisierung ausgelöst werden. Schulen und Verwaltungen müssen viel stärker auf die Digitalisierung ausgerichtet werden, sagte Brandl. Gleichzeitig werde das Problem leerstehender Geschäfte in Innenstädten stark zunehmen, prognostizierte Brandl. Hier müssten Konzepte entwickelt werden.
Neujahrsempfang der Selbstständigen
Ulrich Perchermeier, Vorsitzender des Bunds der Selbstständigen (BDS) Regensburg, zeigte sich beim Neujahrsempfang kämpferisch. Die Selbstständigen wären nicht sie selbst, „wenn wir in Selbstmitleid versinken und Herausforderungen nicht mit neuen Ideen begegnen würden“, sagte er. In diesem Sinne stand der Neujahrsempfang unter dem Motto „Kunst statt Kulinarik“, um die von der Pandemie besonders betroffenen Künstler zu unterstützen. Für die Kosten der üblichen Verköstigung der Gäste ließ der BDS mehrere Künstler auftreten.















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