Regensburg
06.05.2019 - 19:07 Uhr

Staatsanwaltschaft fordert hohe Haftstrafen für Wolbergs und Tretzel

Die Staatsanwaltschaft hatte während des Wolbergs-Prozesses oft zurückhaltend agiert. Nun der Paukenschlag: Die Ermittler fordern viereinhalb Jahre Haft für den suspendierten Joachim Wolbergs. Sie bleiben beim Vorwurf der Bestechlichkeit.

Joachim Wolbergs (SPD), der suspendierte Oberbürgermeister von Regensburg, sitzt im Gerichtssaal des Landgerichts. Archivbild: Lino Mirgeler/dpa
Joachim Wolbergs (SPD), der suspendierte Oberbürgermeister von Regensburg, sitzt im Gerichtssaal des Landgerichts.

Einen ganzen Sitzungstag dauerte das Plädoyer, dass die Staatsanwältinnen Christine Ernstberger und Ingrid Wein abwechselnd vortrugen. Ein Raunen ging durch den Zuhörerbereich, als Staatsanwältin Wein am fortgeschrittenen Nachmittag verkündete, welche Strafzumessung die Ermittler fordern. Sie bleiben im Wesentlichen bei den in der Anklage erhobenen Vorwürfen. Insbesondere beschuldigen sie Wolbergs zweier besonders schwerer Fälle der Bestechlichkeit. Das Landgericht Regensburg hatte die Anklage hingegen „nur“ wegen Vorteilsannahme zugelassen.

Als Bestechlichkeit wertet die Staatsanwaltschaft zum einen, dass Wolbergs Ende 2013 signalisiert haben soll, dass er sich dafür einsetzen wird, dass Bauträger Volker Tretzel den Zuschlag bei der Vergabe des begehrten Baugebiets „Nibelungenkaserne“ erhält. Im Gegenzug sollen kurz darauf Spenden aus dem Umfeld Tretzels in Wolbergs‘ Wahlkampf geflossen sein. Außerdem soll Wolbergs 2016 in einem Telefonat mit Tretzel ein Versprechen, dass er weitere 200 000 Euro bekommt, zumindest konkludent angenommen haben. Auch wenn dieses Geld nie geflossen ist, reiche hier die bloße Ankündigung, argumentierte Staatsanwältin Ernstberger.

Vorteilsnahme in elf Fällen

Neben den zwei Fällen von Bestechlichkeit legt die Staatsanwaltschaft Wolbergs Vorteilsannahme in elf Fällen zur Last, fünf Mal in Tateinheit mit dem Verstoß gegen das Parteiengesetz. Vorgeworfen wird dem suspendierten OB die Annahme von gestückelten Spenden, Vorteile beim Kauf von Wohnungen seiner Mutter und Schwiegermutter, bei Renovierungen einer Wohnung und eines Ferienhauses sowie Zuwendungen Tretzels an den Regensburger Fußballclub SSV Jahn.

Für manche Prozessbeobachter überraschend, blieben die Ermittler auch bei dem Anklagepunkt, der die Sparkasse Regensburg betrifft. Tretzel soll dort 2016 einen günstigen Kredit erhalten haben. Wolbergs als Verwaltungsratsvorsitzender hätte diesen Kredit nicht genehmigen dürfen, da er sich finanziell in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Tretzel befand, argumentierten die Staatsanwältinnen.

"Korruptive Dauerbeziehung"

Wolbergs habe in einer „korruptiven Dauerbeziehung“ über Jahre hinweg Vorteile angenommen. Er habe die OB-Wahl 2014 unbedingt gewinnen wollen und viel Geld für den Wahlkampf benötigt. Nach dem Wahlsieg habe er sein Wahlkampfbüro für eine Art „Dauerwahlkampf“ aufrechterhalten wollen – mit Fixkosten von 8000 Euro pro Monat. Außerdem musste Wolbergs ein Darlehen über 228 000 Euro tilgen, dass er für den Wahlkampf aufgenommen hatte. 88 Treffen habe es im Tatzeitraum zwischen Wolbergs und Tretzel gegeben, viel mehr als mit anderen Bauträgern, betonte Ernstberger. Dass Wolbergs im Zusammenhang mit dem Verfahren wichtige Emails nicht gelesen haben will, sei wenig glaubwürdig, meinte die Staatsanwältin. „Ich habe manchmal den Eindruck, dass der Angeklagte ein bisschen in seiner eigenen Welt lebt.“ Ihm fehle es an dem nötigen Unrechtsbewusstsein.

Insgesamt flossen 500.000 Euro Spenden

Insgesamt seien 2011 bis 2016 fast eine halbe Million Euro an Spenden aus dem Umfeld Tretzels an Wolbergs‘ SPD-Ortsverein geflossen – bewusst über Tretzels Mitarbeiter gestückelt, um die tatsächliche Herkunft zu verschleiern, meint die Staatsanwaltschaft. Wolbergs hätte die Stückelung auffallen müssen, finden die Ermittler. Schließlich hätten auch SPD-Landesschatzmeister Thomas Goger, der die Ermittlungen in Gang brachte, und Wolbergs‘ eigene Wahlkampfbüroleiterin die Spendernamen der Immobilienfirma Tretzels zuordnen können.

Dass es sich bei der hohen Spendensumme nur um allgemeine politische Landschaftspflege handelte, sei lebensfremd. Tretzel habe als Geschäftsmann klare Erwartungen im Gegenzug für die Spenden gehabt. Als Beweis führen die Staatsanwältinnen eine ganze Reihe von Emails und Telefonaten an, in denen Tretzel ihrer Auffassung nach deutlich macht, dass er sich mit seinen jahrelangen Zuwendungen an den SSV Jahn das Wohlwollen der Stadtverwaltung sichern wollte.

Viereinhalb Jahre Haft für Tretzel gefordert

Auch für Tretzel forderte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe in Höhe von viereinhalb Jahren. Normalerweise wäre Wolbergs als Amtsträger höher zu bestrafen, erklärte Staatsanwältin Wein. Doch in diesem Fall sei Tretzel als „Spiritus rector“, als lenkender Geist, des korruptiven Systems zu sehen. Für die beiden weiteren Mitangeklagten forderte die Staatsanwaltschaft niedrigere Strafen: Drei Jahre Haft für Franz W., Tretzels früheren Geschäftsführer, und sechs Monate auf Bewährung für den ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Norbert Hartl.

Wolbergs folgte dem Prozess am Montag stoisch schweigend, manchmal am Handy scrollend, manchmal sichtlich verärgert. Nach Verhandlungsschluss machte er seine Empörung vor Pressevertretern deutlich. Als „verrückt“ habe er die Ausführungen der Staatsanwaltschaft empfunden. „Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass sich die Staatsanwaltschaft null dafür interessiert, was in der Beweisaufnahme passiert.“ Nicht er, sondern die Staatsanwaltschaft lebe in einer eigenen Welt.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.