„Auch wenn wir uns hier gelegentlich fetzen, wünsche ich allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr.“ Diesen Satz hätte Joachim Wolbergs (SPD) auch als amtierender OB am Ende einer letzten Stadtratssitzung im Jahr sagen können. Doch er tat es am Mittwoch im Saal 104 des Landgerichts Regensburg als Angeklagter. Seit September kreist das Gericht um die Frage, ob und was an den Korruptionsvorwürfen gegen den suspendierten Oberbürgermeister, den Immobilienunternehmer Volker Tretzel, dessen ehemaligen Mitarbeiter Franz W. und den früheren SPD-Fraktionschef Norbert Hartl dran ist.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Wolbergs und Hartl alles in ihrer Macht stehende taten, damit Tretzel beim Verkauf von drei Wohnarealen auf dem Gebiet der ehemaligen Nibelungenkaserne den Zuschlag bekam. Im Gegenzug soll Tretzel mit einer verdeckten Großspende Wolbergs‘ Wahlkampf unterstützt und den SSV Jahn vor der Pleite gerettet haben.
Diese Vorwürfe gerieten in den vergangenen Wochen angesichts erheblicher Ermittlungspannen allerdings immer wieder in den Hintergrund. Es waren die drei Anwälte von Bauträger Tretzel, die die Verfehlungen am Mittwoch in einem Antrag zur Verfahrens-Einstellung zusammenfassten. Über eine Stunde dauerte die Verlesung des 50-seitigen Dokuments. Anwalt Florian Ufer führte „gravierende Verfahrensverstöße“ an, die in der Gesamtschau einen fairen Prozess nicht möglich machten. Die Beweisaufnahme zum Nibelungenareal habe ergeben, dass der Verkauf des Grundstücks rechtmäßig war. Es sei bisher kein Beweis erbracht worden, dass Wolbergs einen Vorteil angenommen hat.
Ufers Kollege Jörg Meyer erklärte, dass die Zwangsmaßnahmen gegen die Beschuldigten ohne den Vorwurf der Bestechung nicht rechtmäßig gewesen seien. Während die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage den Vorwurf der Bestechung erhoben hatte, hatte das Gericht die Hauptverhandlung „nur“ wegen des hinreichenden Verdachts der weniger schwerwiegenden Vorteilsgewährung zugelassen. Die mehrmonatige Telekommunikationsüberwachung der Beschuldigten hätten sich auf den Verdacht der Bestechung gestützt, sagte Meyer. Bei Vorteilsgewährung wäre dieses Mittel ausgeschieden.
Auch der Haftbefehl, der Wolbergs und Tretzel im Januar 2017 in U-Haft brachte, wäre bei einem Tatverdacht der Vorteilsgewährung unverhältnismäßig und rechtswidrig gewesen. Die Anhaltspunkte für die Verdunkelungsgefahr, die die Staatsanwaltschaft sah, seien konstruiert gewesen. Es habe zum Beispiel keine gefälschte Preisliste für die Tretzel-Wohnung von Wolbergs‘ Mutter gegeben, „wie von den Ermittlern erdacht“.
Durchzogen mit Fehlern sei von Anfang an die Telefonüberwachung und die Verschriftlichung der Telefonate gewesen, erklärten die Tretzel-Verteidiger. Gespräche aus dem privaten Kernbereich und Verteidigergespräche seien schleppend oder gar nicht gelöscht worden. Bei der Verschriftlichung von relevanten Telefonaten seien ganze Passagen weggelassen und Aussagen sinnentstellend wiedergegeben worden. Bemerkenswerterweise würden stets entlastende Stellen fehlen. Nicht zuletzt habe die offensive Medienarbeit der Staatsanwaltschaft zu einer öffentlichen Vorverurteilung der Beschuldigten mit beigetragen, argumentierten die Tretzel-Anwälte.
Die Verteidiger der drei weiteren Beschuldigten schlossen sich dem Antrag zur Verfahrens-Einstellung an – auch Wolbergs‘ Anwalt Peter Witting, der zu Beginn des Prozesses noch betont hatte, sein Mandant habe ein Interesse an der Aufklärung der Vorwürfe und sei nicht an einer Einstellung des Verfahrens interessiert. „Aber wir können nicht jedes Vorgehen der Ermittler klaglos hinnehmen“, stellte Witting klar.
Staatsanwältin Christine Ernstberger hörte sich die Vorwürfe gegen die Ermittler stoisch an und kündigte eine Stellungnahme zu einem späteren Zeitpunkt an. Unabhängig von dem Antrag zur Verfahrens-Einstellung kündigte Richterin Escher eine „Generalreinigung“ der elektronischen Daten in dem Verfahren an. Der nächste angesetzte Verhandlungstag ist der 7. Januar.













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