Bauträger Volker Tretzel hatte vor dem Verwaltungsgericht Regensburg gegen die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft geklagt. Konkret ging es um eine Pressemitteilung sowie eine mündliche Presseinformation vom 27. Juli 2017. An diesem Tag hatte die Staatsanwaltschaft morgens die Anklagesätze an die insgesamt neun Verteidiger von Tretzel, Wolbergs und den zwei weiteren Beschuldigten gefaxt. Nur zwei Stunden später versandte der damalige Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, Theo Ziegler, per Mail eine siebenseitige Pressemitteilung an die Medien und lud für den Nachmittag zu einer Aufnahme von O-Tönen an das Landgericht ein.
Tretzels Anwalt Till Dunckel kritisierte die kurze Zeitspanne zwischen der Information seines Mandanten und der breiten Öffentlichkeit. Tretzel sei von der Anklageerhebung völlig überrascht worden. Drei der Tatvorwürfe seien für ihn ganz neu gewesen. Der Immobilienunternehmer - der am Dienstag nicht persönlich vor Gericht erschien - hätte sich ausreichend Zeit gewünscht, um sich selbst auf Presseanfragen vorzubereiten oder eine eigene Pressemitteilung erstellen und zu versenden. Noch dazu sei die Anklageschrift unvollständig verschickt worden, die Angabe der Beweismittel habe gefehlt. Die Staatsanwaltschaft wiederum habe genügend Zeit gehabt, ihre eigene umfassende Pressemitteilung zu verfassen. Hier könne von einer Waffengleichheit und einem fairen Verfahren, wie es die Europäische Menschenrechtskonvention fordere, keine Rede sein.
Theo Ziegler, ehemaliger Pressesprecher der Staatsanwaltschaft und heute Vizepräsident des Landgerichts Landshut, argumentierte, es habe sich um einen absoluten Ausnahmefall gehandelt, da im Zuge des Verfahrens ein amtierender Oberbürgermeister in U-Haft genommen und suspendiert worden war. "Es war ein Mediendruck vorhanden, wie ich ihn vorher und nachher nicht erlebt habe." Er habe den Zeitabstand von zwei Stunden nach einer Abwägung für ausreichend gehalten. Ziel sei es gewesen, dass die betroffenen Personen nicht aus der Presse erfahren, dass Anklage gegen sie erhoben wird. Die Presseanfragen, ob Anklage erhoben wird, hätten sich um diese Zeit verdichtet. Sobald der Anklagesatz verschickt war, hätte er sich schwergetan, die Frage von Journalisten korrekt zu beantworten, sagte Ziegler. Hätte er eine Antwort verweigert, wäre auch schnell klar gewesen, dass Anklage erhoben wurde, so Ziegler. Die vierte Kammer des Verwaltungsgerichts unter der Vorsitzenden Richterin Eva Mühlbauer folgte schließlich der Auffassung von Tretzel und dessen Verteidiger Dunckel. Sie stellte fest, dass die Staatsanwaltschaft zur Veröffentlichung der Pressemitteilung und zur mündlichen Presseinformation am Tag der Anklageerhebung nicht berechtigt gewesen sei. Tretzel sei durch die Art und Weise des Vorgehens in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren verletzt worden. Die eingeräumten zwei Stunden hätten für eine Vorbereitung auf mögliche Presseanfragen nicht ausgereicht. Um eine fundierte Stellungnahme gegenüber der Presse zu ermöglichen, hätte die Staatsanwaltschaft außerdem die gesamte Anklageschrift übermitteln müssen. Inhaltlich beanstandete die Kammer die Pressearbeit nicht. Die Staatsanwaltschaft habe klargestellt, dass es sich bei den Vorwürfen um einen Verdacht handle und auf die Unschuldsvermutung hingewiesen.
Tretzel war Anfang des Monats vom Landgericht Regensburg zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten und einer Geldauflage von 500 000 Euro verurteilt worden.
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