Regierungsparteien behaupten sich bei Wahlen in Tschechien

Prag
25.09.2022 - 11:18 Uhr
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Energiesorgen und der Krieg in der Ukraine haben die tschechischen Kommunal- und Teilsenatswahlen überschattet. Die von manchen erwartete Katastrophe für die liberalkonservative Regierung blieb aus – das Ergebnis war aber ein Warnschuss.

Die Mitglieder der Wahlkommission des 77. Wahlbezirks in Hradec Kralove leeren eine Wahlurne, nachdem die Stadtratswahlen beendet wurden. In Tschechien fanden am 24. und 25. September die Kommunalwahlen und die erste Runde der Teilsenatswahlen statt.

Bei den Kommunal- und der ersten Runde der Senatswahlen in Tschechien haben sich die liberalen und konservativen Regierungsparteien überraschend gut behaupten können. Das Wahlbündnis Spolu (Gemeinsam) von Ministerpräsident Petr Fiala wurde in Prag, Brünn (Brno), Pilsen (Plzen) und Budweis (Ceske Budejovice) stärkste Kraft und könnte dort künftig die Bürgermeister stellen. Das ging am Sonntag aus dem vorläufigen Endergebnis der Statistikbehörde CSU hervor. Das offizielle Endergebnis wird nach der Montagssitzung der Staatlichen Wahlkommission vermutlich am Dienstag veröffentlicht. Ab dem Folgetag läuft dann eine zehntägige Frist, in der sich sowohl Wähler als auch Kandidaten mit eventuellen Beschwerden an das Verwaltungsgericht wenden können.

"Das ist wirklich ein Erfolg", sagte Fiala. Die populistische Oppositionspartei ANO des Milliardärs Andrej Babis punktete in acht größeren Oberzentren, darunter in Karlsbad (Karlovy Vary), Usti nad Labem (Aussig) und Ostrava. Der Ex-Premier, der im Januar für das Präsidentenamt kandidieren dürfte, hatte die Wahlen zu einem "Referendum über die Regierung" erklärt.

Landesweit gesehen waren die unabhängigen Kandidaten am erfolgreichsten. Unter den Parteien schicken die Christdemokraten (KDU-CSL) von Arbeitsminister Marian Jurecka die meisten Vertreter in die Gemeinderäte. Hinzugewinnen konnte die ultrarechte Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD).

Ein zentrales Thema im Wahlkampf waren die hohen Energiepreise, die durch den russischen Krieg gegen die Ukraine nochmals gestiegen sind. Anfang September waren rund 70 000 Menschen in Prag aus Protest auf die Straße gegangen. Das Kabinett reagierte mit einem Strom- und Gaspreisdeckel. Tschechien hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und übernimmt damit eine wichtige Vermittlerrolle in Europa.

Entschieden wurde über die Zusammensetzung der mehr als 6000 Stadt- und Gemeinderäte. Die Wahlbeteiligung fiel mit 45,30 Prozent schwach aus. "Die Leute sind wohl lieber Pilze sammeln gegangen", kritisierte Oppositionsführer Babis.

Gleichzeitig wurden in einem Drittel der 81 Wahlkreise die Sitze für den Senat, das Oberhaus des Parlaments, neu bestimmt. Zwei Regierungs- und ein Oppositionspolitiker siegten bereits in der ersten Runde. Die ANO schickt 17 Kandidaten in die Stichwahlen in einer Woche, das Regierungsbündnis Spolu 18. Die Senatoren werden für sechs Jahre gewählt.

Eine Katastrophe sei für die Regierung zwar ausgeblieben, schrieb der Kommentator Martin Fendrych vom Nachrichtenportal aktualne.cz. Das Ergebnis sei dennoch als Warnung an Regierungschef Fiala zu verstehen: "Es reicht nicht, ins bombardierte Kiew zu fahren und 400 000 Flüchtlinge aufzunehmen. Der Ministerpräsident muss auch in die Regionen fahren, wo er nicht willkommen ist." (mit Material der dpa)

Die vorläufigen Ergebnisse aus Eger

In Eger lag die Wahlbeteiligung bei 35,22 Prozent. Die neue Stadtvertretung wird aus sechs Parteien/Bündnissen zusammengesetzt sein mit insgesamt 29 Sitzen. Stärkste Kraft wurde mit 31,7 Prozent die ANO-Partei des ehemaligen Premiers Babiš. Von den 29 Sitzen in der Stadtvertretung konnte sie elf Sitze erringen und damit sechs Sitze mehr als vor vier Jahren. Das Bündnis des amtierenden Bürgermeisters Antonín Jalovec (Wahl für die Stadt Eger) wurde mit 21,37 Prozent zweitstärkste Kraft, verlor aber ganze 10 Sitze und darf nur noch sieben Vertreter schicken. Zwei seiner drei Koalitionspartner (die Piratenpartei und das Bündnis 2018) flogen aus der Stadtvertretung raus, der dritte Koalitionspartner (Koalition für Eger) konnte einen dritten Sitz hinzugewinnen. Die rechtsextreme "SPD" wurde mit 10,79 Prozent drittstärkste Kraft und errang drei Sitze in der Stadtvertretung. Rein rechnerisch wäre für Amtsinhaber Jalovec auch ohne die SPD noch eine Mehrheit gegen den Wahlsieger ANO möglich. Dafür müsste er sich mit einem bisherigen Koalitionspartner (Koalition für Eger) sowie zwei weiteren (VOK; Wahl für den Bezirk) und den Bürgerdemokraten von der ODS einigen. Spitzenkandidat der stärksten Kraft ANO und damit aussichtsreichster Kandidat auf den Chefsessel im Rathaus ist der 69-jährige Manager Jan Vrba.

Die vorläufigen Ergebnisse aus Marienbad

In Marienbad lag die Wahlbeteiligung bei 37,19 Prozent. Dort werden sich in der Stadtvertretung künftig sieben Parteien/Bündnisse die 21 Sitze teilen. Stärkste Kraft wurde ebenfalls die ANO-Partei, hier mit 32,46 Prozent. Von 21 Sitzen konnte sie acht Sitze erringen und damit drei Sitze mehr als 2018. Spitzenkandidat der ANO ist Martin Hurajčík, ein 44-jähriger Handelsdirektor und Bezirksrat des Karlsbader Bezirks. Zweitstärkste Kraft wurde mit 13,77 Prozent das Bündnis "Veränderung für Marienbad", das die Stadt aktuell als ein Koalitionspartner der Piraten mitregiert. Das Bündnis konnte einen Sitz dazugewinnen und darf nun drei Vertreter entsenden. Die Piraten, die aktuell den Bürgermeister stellten, werden mit 12,71 Prozent drittstärkste Kraft und verlieren 3 von 6 Sitzen. Auch in Marienbad zieht die rechtsextreme SPD in die Stadtvertretung ein und holt mit 8,05 Prozent der Stimmen zwei Sitze.

Auch in Marienbad wäre, rein rechnerisch, eine Koalition gegen die ANO Partei ohne Beteiligung der rechtsextremen SPD möglich. Dort allerdings nicht mehr unter Führung der Piraten. Es wird also sicherlich einen Wechsel auf dem Chefsessel im Rathaus geben.

Die vorläufigen Ergebnisse aus Pilsen

In Pilsen lag die Wahlbeteiligung bei 39,18 Prozent. Die Stadtvertretung wird 47 Sitze haben, 6 Parteien/Bündnisse werden dort vertreten sein. Stärkste Kraft wurde mit 27,73 Prozent das Bündnis SPOLU aus ODS, KDU-ČSL und TOP 09 mit dem Spitzenkandidaten David Šlouf der regierenden ODS (wir berichteten). Das Bündnis konnte sich mit hauchdünner Mehrheit vor der ANO Partei platzieren, die in Pilsen in einem Bündnis mit den Unabhängigen angetreten war und 27,26 Prozent der Stimmen erreichte. Beide Parteien erhalten jeweils 15 der insgesamt 47 Sitze. Auf den dritten Platz kam die Vereinigung Für Pilsen mit 9,81 Prozent der Stimmen, sie kann damit fünf Vertreter schicken. Eine Koalition könnte das Bündnis SPOLU etwa mit der Vereinigung für Pilsen und den Piraten bilden, die vier Mandate erzielten. In Pilsen zieht die rechtsextreme SPD mit vier Sitzen in die Stadtvertretung ein.

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