Spätestens mit seinem unvergessenen Alfredo an der Seite von Anna Netrebko in Guiseppe Verdis "La Traviata" bei den Salzburger Festspielen 2005 hat Villazón die Bühnen der Welt und die Herzen des Opernpublikums im Sturm erobert. Singen allein ist dem quirligen, mexikanisch-französischen Temperamentsbündel jedoch nicht genug: Er inszeniert, aktuell "Die Fledermaus" an der Deutschen Oper Berlin, er fungiert ab 2019 als Intendant der Mozartwoche in Salzburg, er moderiert jeden Sonntag bei Klassik Radio, er malt - und schreibt Bücher.
Dass Schriftstellerei für Villazón keine Nebenbeschäftigung zur Bepinselung des Egos ist, hat bereits sein erster Roman "Kunststücke" bewiesen. Und auch der Nachfolger "Lebenskünstler" darf sich mit Fug und Recht Literatur nennen: Überbordende Fantasie, Sprachwitz, charmante, liebenswerte Figuren und eine magische Geschichte, der man sich nicht entziehen kann - wollte man Villazóns unvergleichliche Persönlichkeit zwischen Buchdeckel fassen, dieser Roman wäre das Ergebnis. Für die Fragen der Kulturredaktion hat sich der gefragte Künstler trotz vollen Terminkalenders Zeit genommen:
ONETZ: Als Startenor von Weltruf sind Sie viel unterwegs. Wo und wann finden Sie eigentlich noch die Zeit, Romane zu schreiben?
Rolando Villazón: Wir müssen aufpassen, dass in unserer "durchtechnisierten" Gesellschaft die Fantasie nicht verloren geht. Ich habe ein Handy, aber kein Smartphone, verbringe wenig bis kaum Zeit im Internet. Es ist erstaunlich wie viel Zeit man dadurch zur Verfügung hat. Ich stecke meine Energie ganz in kreative Dinge: Singen, Schreiben, Inszenieren, Programmplanung der Mozartwoche. Außerdem lese ich pro Woche ungefähr ein Buch und schöpfe daraus sehr viel Energie und Inspiration. Neugierig zu sein ist ganz wichtig für mich.
ONETZ: Mit dem Aufklappen Ihres Romans "Lebenskünstler" entfaltet sich ein Panoptikum voller fantastischer Figuren und Geschichten - was hat Sie dazu inspiriert?
Rolando Villazón: Künstler zu sein heißt spielen. Schon früher tat ich so, als sei ich Don Quichotte oder Gandhi, bis heute liebe ich es, mich ziellos durch die Straßen einer Stadt treiben zu lassen, U-Bahn zu fahren und zu beobachten. Ich nehme alles in mich auf und entwickle so meine Ideen und Figuren. Ich notiere Gespräche, Bilder, Impressionen ... Das Spiel ist meine Insel im Leben.
ONETZ: War es harte Arbeit oder doch eher ein großer Spaß, den Spieleerfinder „Palindromus“, die selbsternannten Philosophen „Mopsos“ und „Calcas“ oder den vor Selbstbewusstsein strotzenden Zwerg „Mô“ zum Leben zu erwecken?
Rolando Villazón: Schreiben ist sowohl harte Arbeit als auch ein großer Spaß! Beim Schreiben bin ich alleine mit mir und lebe meinen Figuren, das ist eine ganz andere Tätigkeit als beispielsweise das Inszenieren oder Singen, wo ich immer von Menschen umgeben bin. Meine Figuren versuchen, keine professionelle Karriere zu haben, gegen das zu leben, was man allgemein mit "Erfolg" bezeichnet. Sie sind frei von Meinungen, insofern würde ich sagen, Schreiben ist Arbeit, Spaß und Freiheit!
ONETZ: Im Buch nehmen Sie mehrfach Bezug auf den argentinisch-französischen Schriftsteller Julio Cortázar. Was beeindruckt Sie an dessen Werk, ist er für Ihr literarisches Schaffen ein Vorbild?
Rolando Villazón: Ja, das stimmt! Cortázar ist einer meiner Lieblingsschriftsteller. Im spanischen Original heißt mein Roman "Paladas de sombra contra la oscuridad", übersetzt etwa "Schaufelweise Schatten gegen die Dunkelheit". Es ist ein Zitat aus einem seiner Romane. Und dieses Buch ist sehr wichtig am Ende meines Romans. Ich liebe aber neben Cortázar noch viele andere Literaten: Hermann Hesse, Franz Kafka - für mich der Vater aller Schriftsteller - auch Italo Calvino, Jorge Volpi. Da ist die Liste sehr lang.
ONETZ: Geschrieben haben Sie „Paladas de sombra contra la oscuridad“ auf Spanisch. Ist es noch Ihr Text, wenn Sie die deutsche Übersetzung von Willi Zurbrüggen lesen?
Rolando Villazón: Es ist natürlich immer noch mein Text, auch, wenn einiges anders ist. Ich muss sagen, Willi Zurbrüggen hat das wirklich fantastisch gemacht. Wir haben bereits bei meinem ersten Roman zusammengearbeitet. Es war oftmals eine Herausforderung, vor allem, was die Palindrome angeht. Palindrome sind Wörter oder sogar Sätze, die vorwärts wie rückwärts gelesen identisch sind. Die vom Spanischen ins Deutsche zu übersetzen, war eine große Tüftelei. Aber ich glaube, dass das Bildhafte, das Fantasievolle, das Charakteristische meiner Figuren wirklich sehr gut getroffen ist.
ONETZ: Ihr Roman besticht durch spielerische Elemente, jede Menge Humor, eine melodiöse Sprache und märchenhafte Bilder. Wäre das nicht auch ein Stoff für eine Oper?
Rolando Villazón: (lacht) Oh. Ich weiß nicht, ob das funktionieren würde...
ONETZ: Als Tenor, Schriftsteller, Moderator, Intendant, Zeichner etc. sind Sie ein wahrer Tausendsassa. Kann das auch mal zur Last werden?
Rolando Villazón: Nein, denn diese Aufgaben machen mein Leben reich. Ich wollte nie ausschließlich Tenor sein, dachte nie an mich selbst nur als Sänger, sondern immer als Mensch als Ganzes. Als Kind wollte ich Priester werden, dann Lehrer ... Ich glaube, dass in jedem von uns viele unterschiedliche Talente, Wünsche und Träume stecken. Ich habe das große Glück meine Leidenschaften leben zu können.Gerade habe ich "Die Fledermaus" an der Deutschen Oper Berlin inszeniert. Im Mai gebe ich mein Rollendebüt als "Pelléas" in Debussys Pelléas et Mélisande" mit Daniel Barenboim in Berlin. Sonntags moderiere ich bei Klassik Radio eine eigene Sendung und freue mich natürlich sehr auf meine erste Mozartwoche 2019 als Intendant in Salzburg. Ich hoffe wirklich, ein breites Publikum für die Musik, die Kunst, die Literatur begeistern zu können.
ONETZ: Gibt es Überlegungen, als Schriftsteller auf Lesetour zu gehen?
Rolando Villazón: Absolut, ich habe sowohl für "Kunststücke" als auch für "Lebenskünstler" Lesungen bei Literaturfestivals gemacht, wann immer es mir mein Kalender erlaubt hat.
ONETZ: Lauert in den scheinbar unendlichen Weiten Ihrer Fantasie schon eine Idee für den nächsten Roman?
Rolando Villazón: Ja, mein dritter Roman ist fast fertiggestellt, es wird ein Buch in dem Mozart, dieses unglaubliche Genie, eine große Rolle spielt. Mozart ist ein richtig guter Freund. Ich nehme oft seine Briefe, und dann gehen wir zusammen ein Bier trinken!
Der Roman "Lebenskünstler" von Rolando Villazón ist bei Rowohlt und als E-Book erschienen.
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