- Aktuelles Foto von Gladbeck-Täter Degowski durfte nicht gezeigt werden
"Bild" erhält eine Rüge für die Abbildung eines aktuellen Fotos des aus der Haft entlassenen Gladbeck-Geiselnehmers Dieter Degowski. Unter der Überschrift "Es ist eine Schande, dass Degowski frei herumläuft" hatte die Redaktion ihn zum 30. Jahrestag des Geiseldramas auf einer Parkbank sitzend gezeigt. Der Presserat sieht darin einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex, nach der bei zurückliegenden Straftaten im Interesse der Resozialisierung die Fotoveröffentlichung eines Täters unterbleiben soll. Ähnliches gilt auch für den zweiten Gladbeck-Täter Hans-Jürgen Rösner, den "Bild" ebenfalls mit einem Foto aus dem Gefängnis zeigte. Kritisch sah der Ausschuss auch die Abbildung des von Degowski ermordeten Emanuele de Giorgi kurz nach der Tat. Das Foto des verblutenden Jungen sei 30 Jahre später nicht vom öffentlichen Interesse gedeckt und verletze den Schutz des Opfers und der Angehörigen.
- Abbildung von verunglücktem Ehepaar verstößt gegen den Opferschutz
"Bild" erhält eine Rüge für die Abbildung von Unfallopfern. Unter der Überschrift "Warum passiert guten Menschen so etwas Schreckliches?" schrieb das Blatt über einen schweren Autounfall. Der Bericht zeigt neben dem zerquetschten Pkw private Fotos des ums Leben gekommenen Ehepaars. Es hatte sich in der Kinderkrebshilfe engagiert. Der Presserat sieht in der Verwendung der Porträts eine massive Verletzung des Opfer- und Angehörigenschutzes. Auch wenn die Redaktion nach eigenen Worten mit den Abbildungen die Opfer "besonders würdigen" wollte, sei die Verwendung der Fotos ohne Einwilligung der Angehörigen presseethisch nicht vertretbar.
- Kriminalstatistik reißerisch und irreführend dargestellt
"Tag24.de" wird für eine reißerische und irreführende Überschrift zum Thema Sexualstraftaten gerügt. Das Online-Medium hatte für Leipzig einen "dramatischen Anstieg von Vergewaltigungen" von 670 Prozent binnen zwei Jahren gemeldet. Im zweiten Absatz wird erwähnt, dass nicht nur Vergewaltigungen, sondern auch Fälle von schwerer sexueller Nötigung in die Statistik mit einbezogen wurden. Erst am Ende des Artikels klärt die Redaktion auf, dass der enorme Anstieg wesentlich auf eine Verschärfung des Sexualstrafrechts zurückgeht. Der Presserat sieht darin eine grobe Irreführung der User und einen schweren Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Die Redaktion hatte die Überschrift im Nachhinein zwar geändert, jedoch fiel dies für die Entscheidung nicht ins Gewicht, da zuvor bereits 25 000 User auf der Seite verzeichnet waren.
- Berichterstattung über Mordversuch an 17-Jähriger: entwürdigende Opferdarstellung
Der Presserat rügt "Bild Online" für die Berichterstattung rund um die Veröffentlichung eines Handy-Videos, das die Sekunden nach einem Mordversuch an einer 17-Jährigen zeigt. Viele User hatten sich beim Presserat beschwert, weil in dem Video zu hören ist, wie das unkenntlich gemachte, schwer verletzte Opfer seine Angreifer anfleht. Das Video wurde nach der Veröffentlichung von der Seite entfernt. Die Berichterstattung verstößt jedoch gegen die Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde des Opfers. In den gezeigten Bildausschnitten sieht der Beschwerdeausschuss eine übertrieben sensationelle Berichterstattung nach Ziffer 11 des Pressekodex. Die Kritik der Beschwerdeführer, dass das Video nur hinter einer Bezahlschranke abrufbar war, war für den Presserat dagegen nicht relevant. Hier gehe es um ein Geschäftsmodell, nicht um ein ethisches Thema, das anhand des Pressekodex zu erörtern wäre.
- Namen und sexuelle Orientierung von Angeklagten durften nicht genannt werden
Der Beschwerdeausschuss Redaktionsdatenschutz rügt die "taz" wegen eines Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Ziffer 8 des Pressekodex. In einem Prozessbericht wurden die sexuelle Orientierung und Krankheitsgeschichte der Angeklagten erwähnt, da sie für die Urteilsfindung relevant waren. Gleichzeitig wurden die Angeklagten durch eine Vielzahl von Angaben im Text, wie die Nennung ihrer Vornamen, ihrer Unternehmen und des Stadtteils, für einen erweiterten Personenkreis identifizierbar. Somit wurden Details aus der Intimsphäre der Betroffenen bekannt gemacht, ohne dass daran ein öffentliches Interesse besteht.
- Kritik an ungeprüfter Übernahme von Informationen anderer Medien
Der Presserat sieht in der Veröffentlichung ungeprüfter Aussagen aus anderen Medien einen Verstoß gegen den Pressekodex. Er appelliert an die Redaktionen, eigene Recherchen trotz Zeitnot nicht zu vernachlässigen. Beim Presserat hatte sich ein Leser wegen mehrerer Berichte über eine Berliner Demonstration gegen die geplante Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem beschwert. Bundesweit hatten Medien behauptet, aus der Demonstration heraus sei von einer signifikanten Menge minutenlang "Tod den Juden" skandiert worden. Später stellte sich heraus, dass diese Meldung falsch war und es nur vereinzelt solche Zwischenrufe gab. Zahlreiche Medien hatten sich auf einen regionalen Zeitungsbericht verlassen, in dem ein Fehler unterlaufen war. Dies verletzt die journalistische Sorgfaltspflicht.
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