20.02.2019 - 18:47 Uhr

Runder Tisch zur Artenvielfalt: Bauernverband und Grüne fremdeln

Vor Ort ist noch wenig von der gemeinsamen Bienen-Sache zu spüren: Landwirte kritisieren die Ignoranz der Initiatoren und umgekehrt.

Die Biene mobilisierte eine Million Unterstützer: Ein Imker zeigt seine Bienen, die auf einer Wabe sitzen. Bild: Sven Hoppe/dpa
Die Biene mobilisierte eine Million Unterstützer: Ein Imker zeigt seine Bienen, die auf einer Wabe sitzen.

Nach dem ersten Treffen des Runden Tischs für mehr Artenschutz versuchen die Kontrahenten, die jeweils anderen Argumente richtig einzusortieren. Im zum Gegensatz zum Zweckoptimismus des Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der die "konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten" lobte, fremdeln die regionalen Widersacher noch erheblich.

"Wenn ich heute von der lieben Frau Becker (Anm. der Red.: ÖDP-Mitinitiatorin Agnes Becker) höre", schimpft Hans Winter, Geschäftsstellenleiter des Bayerischen Bauernverbands in Weiden, "der Entwurf ist unverhandelbar, dann fühlen sich auch unsere Bio-Bauern verraten." Viele hätten unterschrieben, weil man ihnen gesagt habe, die Mähzeit wolle niemand in Stein meißeln." Was den Vertreter der Landwirte so ärgert, ist nicht das Anliegen der Artenschützer, sondern deren vermeintliche Ignoranz den Bauern gegenüber: "Wir erwarten zwingend, dass ein Gesetzentwurf kommt, der die Bauern schützt, die Bienen schützen wir selber, weil wir sie brauchen." Es gebe einzelne schwarze Schafe, die ihren Raps mittags spritzten, aber die überwältigende Mehrheit tue, "was sie kann, um Insekten zu schützen". Für Winter ist die Lage klar: "Wenn noch mehr Landwirte resignieren, bekommen wir statt Rapsöl noch mehr Palmöl - und dafür werden Urwälder abgeholzt."

Grüne: Bayerische Agrarpolitik mitverantwortlich

"Das Ergebnis des Volksbegehrens ist eindeutig", bewertet Klaus Bergmann, einer der Kreissprecher der Grünen in Weidendie Lage völlig anders, "20 Prozent der Wahlberechtigten unterstützen den Gesetzentwurf". Wenn man das auf Wahlen umlege, rechnet er das Zustimmungspotenzial für die Naturschutzverbände, bei diesem Thema auf 50 Prozent hoch. "Man kann den Initiatoren auch nicht vorwerfen", findet Bergmann, "dass sie ein Konzept vorgelegt haben, mit denen die Landwirte nicht leben können." Wer das behaupte, habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt. "Die CSU stellt sich als Schutzmacht der Kleinbauern dar", kritisiert er die Agrarpolitik der Staatsregierung, "aber was hat sie seit 40 Jahren für eine Politik in Bayern, Deutschland und Europa betrieben?" Die Staatsregierung sei mit verantwortlich für die Zerstörung kleinbäuerlicher Strukturen. "Das kann sie abfedern, indem sie sich in Brüssel dafür einsetzt, dass Naturpflege höher vergütet wird."

Das Angebot des Tirschenreuther Landwirts Alexander Weigl, "Blühflächen zum Mitmachen" anzubieten, findet Bergmann eine "super Idee, um die Bevölkerung mitzunehmen und die Distanz zum Nahrungsmittel abzubauen".

Weiden in der Oberpfalz20.02.2019

Auch Bio-Landwirte überfordert

Zwischen beiden Positionen rotiert Josef Wittmann, Bio-Landwirt und Vorstand des Weidener Bauernmarktes: "Die Emotionen werden von vielen Seiten hochgekocht", bedauert er. Der Artenschwund sei unstrittig, aber die Ursachen könne man nicht allein der Landwirtschaft anlasten. "Das ist ein gesellschaftspolitisches Problem, das nur im Konsens gelöst werden kann", findet Wittmann. "Der Anteil des Landwirts an einer Semmel liegt im konventionellen Bereich bei einem Cent." Die Bauern hätten dramatisch an Kaufkraft verloren: "1975 konnte man mit dem Verkaufserlös von 50 Kilo Weizen noch eine Mechanikerstunde bei Baywa bezahlen, heute braucht man dafür das Zehnfache."

Die Politik habe den Trend zur Ertragssteigerung befördert: "Etwa mit der Flurbereinigung, bei der Hecken rausgerissen wurden, Rückzugsgebiete für Insekten und Vögel." Gebracht habe das den kleinen Bauern wirtschaftlich wenig. Und auch die Bio-Landwirtschaft gerate zunehmend unter den Druck der Handelsketten. Dazu komme, dass der prozentuale Anteil der Direktvermarktung "bei vielleicht 2 Prozent" stagniere. Wittmann fordert ein Umdenken: "Wer fordert, dass Landwirte naturnah arbeiten, muss das honorieren - entweder über Lebensmittelpreise oder Ausgleichszahlungen."

Stattdessen würden Neiddebatten am Stammtisch geführt, wo Listen mit Subventionen rumgereicht würden. "Das Anlegen von Blühstreifen, der Ertragsverlust ist aber eine Leistung, die zurecht honoriert wird."

 
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