Auch das Artensterben als Folge einer durchgetakteten Konsumgesellschaft hat viele Mittäter: Vom Erzeuger über Handel, Transport, Kommunen bis zum Verbraucher.
Wer nicht will, dass die letzte Biene am Aldi-Parkplatz verhungert, muss deshalb auch selbst mehr zum Artenschutz beitragen, als ein Volksbegehren zu unterschreiben: Die Binsenweisheit, dass der Verbraucher entscheidet, welche Produkte im Laden stehen, gilt auch hier. Wer eine aufwendige naturnahe Landwirtschaft wünscht, muss auch bereit sein, die Mehrleistung der Erzeuger zu bezahlen.
Wer Blütenparadiese an den Feldern wünscht, sollte zu Hause seinen Mähroboter in die Wüste schicken und die Steingärten dazu. Wer mehr Lebensraum für Insekten und Vögel möchte, sollte sich in seinen Städten und Gemeinden dafür einsetzen, dass kommunale Grünflächen nicht permanent auf Wimbledon-Standard getrimmt werden. Und auch Gewerbegebiete und Industrieanlagen müssen nicht zwangsläufig aussehen wie Endzeitkulissen aus Terminator 6.
Wenn selbst Bio-Bauern warnen, dass ihre Belastungsgrenze erreicht ist, sollte man deren Unmut ernst nehmen. Die Initiatoren des Volksbegehrens haben ein wichtiges Thema angestoßen. Jetzt sollten sie die politische Klugheit besitzen, nicht die kleinbäuerlichen Familienbetriebe weiter zu schwächen. Diese sind das falsche Feindbild. Deren Aufwand muss so entschädigt werden, dass ihre Betriebe überlebensfähig bleiben. Zu Kampfpreisen der Discounter ist das nicht zu haben.
Die Landwirte wehren sich vehement gegen das Volksbegehren, aber ist eine Landwirtschaft bei einem weiteren Artensterben in dieser Größenordnung künftig noch möglich? Die Wissenschaft hegt da so ihre Zweifel. Der Kommentator ist hier dem BBV „auf den Leim“ gegangen! Die Initiatoren haben ja nie behauptet, dass sich ihr Volksbegehren gegen das „falsche Feindbild Landwirte“ wendet. Ein „weiter so, wie gehabt“, wird es aber wohl auch nicht mehr geben.
Hier versucht der Bauernverband von eigenen Versäumnissen abzulenken. Was haben 70 Jahre Lobbyarbeit des Deutschen- und Bayerischen Bauernverbandes und der Klüngel und gegenseitiger Austausch des Spitzenpersonals mit den konservativen Parteien gebracht? Wo steht die bayerische Landwirtschaft heute? Waren der Fall der Hektarbindung und die Freigabe der Milchmengen ein Erfolg, oder werden die kleinen bayerischen Familienbetriebe nun zerrieben? Die Verbandspolitik hat die Bauern in eine europaweite Überproduktion getrieben und bayerische Bauern in einen Preis- und Konkurrenzkampf mit Agrarfabriken aus dem Osten, die 2.000 ha und mehr bewirtschaften, sowie einen Großteil der EU-Agrarsubventionen einstreichen. Wissenschaftler haben errechnet, dass die Landwirtschaft zu 70 % am Artensteben beteiligt ist. 60 % der Deutschen wohnen zu Miete und haben keinen Mähroboter. Ein weiterer, großer Teil unserer Bevölkerung wohnt in der Stadt, oder einem Häuschen mit 500 m² Grundstücksfläche. Tatsache ist, dass dieser Teil der Bevölkerung nur minimalsten Einfluss auf das Artensterben, sowie auf eine artenverträgliche Landwirtschaft nehmen kann. Hinzu kommt, dass der Bauernverband stets zu verhindern wusste, dass ein aussagekräftiges Lebensmittelsiegel (Tierwohl, Ökologische Bewirtschaftung etc.) eingeführt wurde, welches aber Voraussetzung für eine bewusste Kaufentscheidung ist. Etabliert sind lediglich die Siegel der Ökoverbände, die vom BBV teils heftig bekämpft werden. Tatsache ist auch, dass die Politik in Deutschland und speziell in Bayern das EU-weite Verbot von Insektiziden bis heute nicht umsetzt, ebenso das Dünge- und Spritzmittelverbot entlang eines Uferstreifens von Fließgewässern. Wissenschaftler halten das für die weit gewichtigeren Gründe für das Artensterben, dass bemerkenswerterweise in Deutschland besonders ausgeprägt ist.
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