ONETZ: Sie sind als Freiwilliger beim State Emergency Service und arbeiten in einem Callcenter für Buschfeuer.
Jörg Lindner: Ja. Die Feuerwehr hat beim State Emergency Service, vergleichbar mit dem THW, um Unterstützung angefragt. Ich engagiere mich dort ehrenamtlich, wie schon früher beim THW München-Mitte.
ONETZ: Wer ruft bei Ihnen an?
Jörg Lindner: Für den Notfall gibt es die „triple zero“, dreimal die Null. Bei uns kann man anrufen, wenn es sonstige Fragen gibt. Hauptfragen sind: Ich möchte von A nach B reisen, bin ich da sicher unterwegs? Oder: Wir haben Bekannte im Ort A, wie sieht es dort aus? Kürzlich hat eine Deutsche namens Ilse angerufen, 1965 aus Ingolstadt ausgewandert. Sie wollte wissen, ob sie zurückkehren kann. Ihr Haus stand in einem Gebiet, über das die Feuerwalze hinweggerollt war.
ONETZ: Wie können Sie helfen?
Jörg Lindner: Wir können im Callcenter zum einen auf Informationen zugreifen, die jeder hat. Da gibt es zwei Apps, die maßgeblich sind. Aber wir können das zusätzlich mit Infrarot-Aufnahmen von Flugzeugen überlagern. So bekommt man ein realistisches Bild der Feuerfronten.
ONETZ: Gibt es auch unsinnige Fragen?
Jörg Lindner: Eine klassisch australische Frage: Wir wollen unseren Barbecue starten, aber es ist „total fire ban“. Dürfen wir den Grill anschüren?
ONETZ: Und? Darf man grillen?
Jörg Lindner: An diesen Tagen darf kein Feuer mit festen Brennstoffen gemacht werden. Ein Gasgrill ist ok. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Leute noch mit Holzkohle grillen.
ONETZ: Wie machen sich die Brände im Alltag bemerkbar? Sie leben 70 Kilometer Luftlinie entfernt.
Jörg Lindner: Man kriegt schon Ascheregen ab. Die Balkonmöbel mache ich gar nicht mehr sauber. Die lasse ich dreckig, bis das Ganze vorbei ist.
ONETZ: Gestern wurde ein Tennisspiel der Australien Open abgebrochen. Treiben Sie Sport?
Jörg Lindner: In der Strandgegend, in der wir hier in Manly leben, sind alle Sportskanonen. Sportfetischisten. Da gibt es noch genügend, die laufen und schwimmen. Aber es ist nicht unbedingt gut für die Gesundheit. Man inhaliert den Rauch. Es gibt Tage, an denen man den Rauch beißend in der Nase hat.
ONETZ: Was sagen Sie zu Storys über Leute, die ihre Häuser wässern und sich verbarrikadieren, wenn die Feuerwalze kommt?
Jörg Lindner: So etwas wird gemacht. Ich weiß nicht, ob ich das machen wollte. In Australien wird niemand zur Evakuierung gezwungen. Wer sein Grundstück sichern will, hat kaum eine andere Möglichkeit. Auch die Feuerwehr versucht, Gebäude nass zu halten, um Eigentum zu retten. Es geht nicht mehr darum, Feuer zu löschen. Dazu sind sie zu groß.
ONETZ: Wie gravierend ist der Verlust?
Jörg Lindner: Das sind keine Peanuts, auch wenn Australien groß ist. In New South Wales brennt eine Fläche so groß wie Bayern. Das meiste Leben findet im grünen Küstenstreifen statt – und der wird gerade geschleift. Hier sind die Städte, hier wohnen die Leute. Hier sind die Touristen-Gegenden. Das wird alles vernichtet.
ONETZ: Es sind Feuerwehrmänner aus aller Welt vor Ort.
Jörg Lindner: Ja, das ist klasse. Die Kanadier waren die Ersten, die ihren Weihnachts- und Silvesterurlaub sausen ließen. Auch amerikanische, belgische, polnische, dänische Feuerwehrleute sind gekommen, die Türken haben es angeboten.
ONETZ: Wäre der Wiederaufbau nicht ein Fall für das deutsche THW?
Jörg Lindner: Ich würde mich freuen, wenn so etwas zustande kommen sollte. Das THW in Deutschland ist mehr ausgerichtet auf die Wiederherstellung von Infrastruktur als wir vom State Emergency Service. Das THW macht genau solche Sachen. Ich persönlich werde in den nächsten Wochen vielleicht als Freiwilliger dabei sein, wenn der SES mit dem Wiederaufbau der Straßen beginnt. Die abgebrannten Bäume neben den Straßen sind potenzielle Killerbäume. Die müssen gefällt werden.
Bleibt wenig Zeit, die wunderbaren Strände zu genießen.
ONETZ: Bleibt wenig Zeit, die wunderbaren Strände zu genießen.
Jörg Lindner: Wenn sie wieder wunderbar sind! Theoretisch haben wir hier 100 Tage Sonnenschein. Dieses Jahr streicht uns der Rauch einiges weg. Seit Monaten haben wir einen Rauchdeckel drüber. Ich hoffe, dass es ein wenig aufrüttelt. Der von Menschen gemachte Klimawandel wird von den politische führenden Kräften immer noch infrage gestellt. Ich hoffe, dass der alternative Energiemarkt Schwung bekommt. Wir haben in Australien Riesenflächen: Wir könnten Riesenwindfarmen und Riesensolarfarmen aufstellen.
Jörg Lindner (52) stammt aus Schönhaid bei Wiesau. Er hat in Regensburg Maschinenbau studiert, dann in München gearbeitet. Während des Studiums war er 1993/94 schon einmal in Australien. Als Mitarbeiter von Microsoft zog er 2008 dann komplett nach „Down Under“. Lindner ist im IT-Bereich tätig, inzwischen selbstständig.
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