Schwandorf
21.06.2024 - 14:25 Uhr

Leserbrief: Als Ersthelferin beim schweren Unfall dabei

Wie ist es, als Erste zu einem Unfall wie dem bei Sonnenried am Montag zu kommen? Sybille Huber aus Stulln berichtet - über ihre Ängste, ihre Überwindung, aber auch über ihren Ärger über jene, die nicht geholfen haben.

Ersthelfer bei einem Unfall sein, der gerade erst passiert ist: In diese Situation kann jeder Verkehrsteilnehmer kommen. Darauf gilt es vorbereitet zu sein. Symbolbild: Stefan Puchner/dpa
Ersthelfer bei einem Unfall sein, der gerade erst passiert ist: In diese Situation kann jeder Verkehrsteilnehmer kommen. Darauf gilt es vorbereitet zu sein.

Ich war Ersthelferin am Unfallort. Als ich dort ankam, war ich auf dem Heimweg von der Arbeit. Ein grauenhaftes und unübersichtliches Bild. Nachdem ein Mann den Notruf gewählt hatte, waren wir zunächst drei Personen, die sich einen Überblick verschafft haben. Wie viele Menschen sind in den Autos? Was können wir tun? Schnell war offensichtlich, dass wir zu wenige waren für sechs Unfallopfer. Wir hätten mehr Unterstützung gebraucht.

Ich musste mich entscheiden, was ich tue und bei welchem Unfallopfer ich bleibe und dann beobachten, wie Autos aus beiden Richtungen kommen, einfach umdrehen und wegfahren. Polizei und Rettungskräfte haben mir bestätigt, dass dies früher wie heute normal sei. Das alles hat mich sehr betroffen und auch wütend gemacht. 

Aber könnte man nicht selbst einmal schwer verletzt in einem Autowrack klemmen oder könnten die eigenen Kinder die Opfer sein? Möchte man dann nicht auch, dass einem jemand hilft? Wer fürchtet, dass die eigenen Erste-Hilfe-Kenntnisse nicht ausreichen: Man kann trotzdem eine Menge tun. Decken oder Verbandszeug bringen und für die Menschen da sein statt sie schwerstverletzt auf der Straße liegen zu lassen. Die schlechteste Entscheidung ist: Davonfahren und sich einreden, dass bestimmt genug Hilfe da ist. 

Vielleicht möchte man die Rettungskräfte nicht behindern? Ein legitimer Gedanke, aber es waren ja noch keine Rettungskräfte da. Einen Mann hörte ich sagen: "Da sind Kinder hinten drin, das kann ich mir nicht anschauen." Gottseidank war ein anderer da, der die Kraft hatte, die Kinder aus dem rauchenden Auto zu holen.

Mit vereinten Kräften kann man schon einiges bewerkstelligen: die Opfer nicht allein lassen, gut zu reden, einfach: da sein. Die Zeitspanne, bis die Rettungskräfte da sind, kann unter Umständen entscheidend sein. 

Allen Notärzten, Rettungskräften und Hilfsorganisationen möchte ich Danke sagen. Den Feuerwehren, Polizisten, Seelsorgern und denen, die alles koordiniert und betreut haben. Meinen tiefsten Respekt. Alle haben Hand in Hand gearbeitet, auch sie haben Familien und Kinder und werden diese Bilder nicht vergessen.

Viele Ehrenamtliche haben sich umsichtig gekümmert und auch uns Ersthelfer betreut. Auch ich muss mit den Bildern fertig werden, aber es gibt Seelsorger, das Kriseninterventionsteam und andere Stellen, an die man sich wenden kann. Mir hilft die Gewissheit, dass ich geblieben bin. Bitte machen Sie sich Gedanken darüber, was Sie brauchen, um sich für so eine Situation zu wappnen. Es ist gut, wenn man nie hineingerät. Aber noch besser, wenn dann Hilfe da ist.

Leserbriefe müssen nicht die Meinung der Redaktion wiedergeben. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe sinnwahrend zu kürzen.

OnetzPlus
Schwarzenfeld18.06.2024
Kemnath bei Fuhrn17.06.2024
OnetzPlus
Schwandorf21.06.2024
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.