Spätestens seit ihrer Lesung im April in der Kulturscheune Elbart hat die in München lebende Schriftstellerin Sabine Vöhringer auch die Oberpfälzer Krimi-Freunde auf den Geschmack gebracht. Der Kulturredaktion hat sie mehr zum zweiten Teil rund um Perlinger und die Münchener Traditionsgaststätte "Hackerhaus" verraten:
ONETZ: Frau Vöhringer, der zweite Roman stellt viele Schriftsteller vor deutlich größere Schwierigkeiten als der Erstling. War das bei Ihnen auch der Fall?
Sabine Vöhringer: Glücklicherweise nicht. Beim zweiten Buch konnte ich auf die sehr positive Erfahrung zurückgreifen, mich bereits einmal »durchgekämpft« zu haben. Ich konnte in vielen Punkten routinierter vorgehen. Dank der Lesungen aus dem ersten Buch hatte ich meine Leser viel klarer im Blick und wusste intuitiv, was wie auf sie wirkt.
Allerdings habe ich die Weiterentwicklung der Hauptpersonen zunächst unterschätzt. Mein 2. Buch ist Teil der Reihe rund um Tom Perlinger. Damit stehen die Hauptcharaktere prinzipiell fest, doch sie mussten weiterentwickelt werden. Immer wieder ist es mir passiert, dass eine Person nicht so wollte wie ich und die Entwicklung in eine andere Richtung ging, als ursprünglich geplant. Ich freue mich, dass die ersten Leserreaktionen zeigen, dass die Personen als sehr authentisch empfunden werden und die Leser mit ihnen leiden und fiebern. Gerade die private Seite ist auch beim Krimi für viele Leser von großem Interesse. Die zentrale Frage: Was wird aus Christl und Tom?
ONETZ: Ist die Spannung vor der Veröffentlichung des zweiten Krimis und den Reaktionen des Publikums größer oder kleiner als beim Debüt „Die Montez-Juwelen“?
Tatsächlich habe ich diesmal vor der Veröffentlichung der ersten großen Rezension in der Süddeutschen eine schlaflose Nacht verbracht. Obwohl ich von meinen Testlesern und vom Verlag sehr positive Resonanz hatte, habe ich stündlich die Rezensionen auf den einschlägigen Plattformen wie Amazon, Lovelybooks, Bücher.de verfolgt. Ich war froh, dass meine Familie mich an der Stelle wieder geerdet hat. Trotzdem können Sie sich meine Luftsprünge kaum vorstellen, als auf den Plattformen selbst nach der 20. Rezension die 5 Sterne stehen blieben und der Redakteur der Süddeutschen mit dem Satz schloss: … ein unterhaltsamer Page-Turner in der Münchner Altstadt als dekorative Krimikulisse. Genau das wollte ich schreiben und ich war überwältigt, als ich das bestätigt bekam.
ONETZ: Was sagen eigentlich die echten „Hackerhaus“-Wirte zu dem literarischen Ruhm, den sie sozusagen als Stammgäste Ihrer Krimi-Reihe erfahren?
Ich freue mich sehr, dass die Wirtefamilie begeistert ist. Wie ich gehören sie der Generation an, die mit der Fernsehserie »Hotel Sacher« aufgewachsen ist. Ich kenne bis heute keine Serie, in der der Charme eines Hotels so eng mit dem einer Stadt verwachsen ist. Das »Alte Hackerhaus« – mitten in der Münchner Altstadt in der Fußgängerzone Sendlinger Straße gelegen und Stammhaus der Hacker-Pschorr-Brauerei aus dem Jahre 1417 – ist prädestiniert für einen solchen Mythos. Der Prototyp eines traditionell bayerischen Wirtshauses. Das Meiste wie beispielsweise die Knödl werden noch selbst gekocht. Es gibt sogar eine Hacker-Pschorr Sammlung, gleichzeitig sind die Wirtsleute innovativ und modern.
ONETZ: Worauf achten Sie besonders, wenn Sie real existierende Personen in fiktives Krimi-Personal verwandeln?
Darauf, dass mir diese fiktive Person dann nicht real »den Hals umdreht«. Auch, wenn es manchmal weh tut, ich ändere zum Beispiel das Geschlecht, die Haarfarbe, den Wohnort. Es bleibt eine Gratwanderung, denn manchmal ist es gerade das typisch Männliche oder Weibliche, das dem Charakter auch das Besondere gibt. Schon der Dramaturgie wegen ist es empfehlenswert, die Charaktereigenschaften zu überzeichnen. Das kann sehr unangenehm werden, wenn sich jemand aus dem direkten Bekanntenkreis wiedererkennt. Deswegen mische ich gerade meine »Mörder« sehr virtuos.
ONETZ: In Tom Perlingers zweitem Fall dreht sich alles um Ludwig Thoma und seinen „Münchner im Himmel“ - wie sind Sie auf dieses Thema gestoßen?
Den Startschuss für diese Krimi-Idee gab ein sonntäglicher Familienausflug zu Ludwig Thomas Haus »Auf der Tuften« am Tegernsee bei herrlichem Sommerwetter. Meine Krimis spielen ja zum einen immer in der Münchner Altstadt, zum anderen gibt es einen historischen Ansatzpunkt. Als ich vor dem mit dunklen Holzschindeln besetzten Herrenhaus stand, dahinter das Alpenpanorama, rechts davon der Tegernsee, daneben der Garten mit hohen Bäumen und blühenden Sträuchern, da sah ich Ludwig Thoma mit Freunden an einem Gartentisch sitzen. Er hatte ein Manuskript in der Hand und winkte mir damit zu. Genau dieses Bild taucht auch im Krimi als Schwarz-Weiß-Fotografie auf. Das Foto zeigt den wahren Mörder.
ONETZ: Liegen alle Figuren und Handlungsstränge schon komplett ausgearbeitet vor Ihnen, wenn Sie mit dem Schreiben beginnen oder entwickelt sich vieles erst im Laufe des kreativen Prozesses?
Bei mir ergänzt sich beides. Ich konzipiere vorab und nehme mir fest vor, nicht vom Konzept abzuweichen. Doch während des Schreibens gibt eine Idee die andere. Die Personen verselbständigen sich, wollen Dinge tun oder nicht tun, die ich eigentlich für sie vorgesehen hatte. Ich lasse Neues zu, weil ich mich gar nicht dagegen wehren kann. Am Schluss bin ich selbst überrascht, ob der Mörder noch der Mörder ist, da ich dazwischen so viele andere Varianten in Erwägung gezogen habe. Meist stehe ich trotz sorgfältigem Konzept vor einem Arm voll wilder Blumen, die ich irgendwie zu einem Strauß binden muss.
ONETZ: Ein Krimi pro Jahr – wollen Sie diesen Rhythmus beibehalten?
Im Prinzip schon. Die Manuskriptabgabe des 3. Falls von Tom Perlinger ist für März 2019 vorgesehen. Dann wird es allerdings ein ganzes Jahr dauern, bis das fertige Buch vorliegt. Es wird also voraussichtlich im Frühjahr 2020 erscheinen. Während der 3. Fall mehr und mehr Konturen annimmt, beginnen auch bereits die ersten Ideen zum 4. Fall Samen zu bilden. Der Rhythmus ergibt sich ganz selbstverständlich. Es ist so, als ob ich kein Lebensjahr meiner Hauptpersonen verpassen will. Sie werden wie wir alle auch älter. Wer weiß, wie viele Jahre sie noch haben. Gerade als Hauptkommissar lebt man gefährlich. Da heißt es in vollen Zügen jedes Jahr auskosten.
ONETZ: Sie haben doch sicher auch bereits Ideen für die nächsten „Tom-Perlinger“-Fortsetzungen im Kopf – verraten Sie schon jetzt ein bisschen mehr darüber?
Das Exposée ist bereits abgegeben, die Verlagszusage da. Da sich im nächsten Jahr die Schulzeit unserer Kinder dem Ende zuneigt, ist das genau der richtige Zeitpunkt, das bayerische Schulsystem einmal genauer ins Visier zu nehmen. Ich kann es kaum erwarten, bis die Konzeptionsphase endlich abgeschlossen ist und der magische Moment des Schreibens kommt.
"Das Ludwig Thoma Komplott" ist im Gmeiner-Verlag erschienen und kostet 13 Euro, E-Book 9,99 Euro. Auch als Hörbuch, gesprochen von Thomas Birnstiel, erhältlich.
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