Die Musik ist es, die die Seele erwärmt und fröhlich macht. Fröhlichkeit, das heißt auch jugendliche Unbekümmertheit. Es sind über 60 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die am Sonntag in Speinshart als musikalische Botschafter der Ukraine ein Zeichen für Menschenrechte und humanes Miteinander setzten.
Wenn von der Ukraine die Rede ist, geht es meistens um die Krim, um Krieg und Korruption. Im Gegensatz dazu vermitteln die jungen Leute, die am Sonntag als "Youth Symphony Orchestra of Ukraine" bei einem noch nie dagewesenen Publikumsandrang in der überfüllten Klosterkirche ihr Debüt in der Oberpfalz geben, Frieden, Freude und Völkerverständigung. Alles beginnt im Jahr 2016, als das Deutsche Jugendorchester (DJO) bei der Gründung dieses Ensembles mitwirkt. In der Zwischenzeit steht das Jugendsinfonieorchester der Ukraine auf eigenen Beinen. Und wie. Die Hörerschaft erlebt ein "grenzenloses" Konzert voller Wärme und Leidenschaft. Endlos schäumende Läufe, überreiche Verzierungen und feingeistige Glanzlichter fliegen der Hörerschaft um die Ohren. Was ist da los? Ja, die jungen Leute sind los. Sie verzücken mit grandioser "Weltmusik".
Brücken bauen
Die 60 musikalischen Botschafter blicken auf ihre charismatische Maestra Osana Lyniv, einer ukrainischen Patriotin. "Unser Land ist seit 25 Jahren unabhängig", sagt sie und findet, dass gerade ein Jugendorchester die Möglichkeit bietet, Bilder von Menschen, Bildes eines Volkes und deren kulturelles Niveaus vermitteln kann. Lyniv hat viel musikalisches Potenzial. Erfahrungen sammelt sie als Dirigentin während einer Assistenz bei Kyrill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper, künftiger Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Ihr ganzer Stolz ist das vor drei Jahren gegründete Jugendorchester der Ukraine. "Wir wollen mit diesem Ensemble Brücken bauen", betont die junge Dirigentin. Diesen "Brückenbau" setzen die jungen Leute in Speinshart mit völkerverständigender Musik fort. Symbolträchtig ist der Auftakt. Es erklingt Beethovens Ouvertüre "Die Geschöpfe des Prometheus". Eine tönende Geschichte der ersten Rebellion gegen die ungerechte Götterordnung, die Lyniv in kraftvolles, apollinisches Leuchten hüllt.
Wenn die Sinfonie brüllt
Die große musikalische Tradition des Landes betont das Ensemble mit zwei Werken der ukrainischen Komponisten Vitaliy Hubarenko und Jewhen Stankowitsch, die noch nie in Deutschland aufgeführt wurden. Seltsam fremd "brüllt" die Kammersinfonie Nr. 1 von Hubarenko. Die abrupten Stimmungswechsel erfordern für den Ausnahmegeiger Valeriy Sokolov höchste Konzentration. Auch die "Ukrainische Dichtung" von Jewhen Stankowitsch sind für das Ensemble und Stargeiger eine Herausforderung mit reichlich Feuer und Dramatik. Überhaupt: das Aufeinandertreffen von Valeriy Sokolov mit der renommierten Dirigentin Oksana Lyniv wird zum viel umjubelnden Musikprojekt.
Impulsives Drama
Das Orchester stemmt später mit der rauschhaften "Siebten" von Ludwig van Beethoven ein symphonisches Schwergewicht. Die Sinfonie entstand 1812 im Schatten Napoleons und seines Russland-Feldzuges. Auch eine unglückliche Affäre des Komponisten soll eine Rolle gespielt haben. Das Werk wird zum impulsiven Drama, überschäumend und dann wieder nachdenklich, mit lebensbejahender Freude aber auch mit tiefer Melancholie. Schon von zunehmender Taubheit beeinträchtigt, transferiert Beethoven inspirierendes Gedankengut, das die Hörerschaft an das Leben und an das Gute glauben lässt. Die vier Sätze werden für die jungen Leute zum eindrucksvollen Kunstbeweis und für das Publikum zum grandiosen Konzerterlebnis. Die ganze Energie der über 60 Akteure gilt dieser siebten Sinfonie.
Schier endlos sind die klangvollen Verwebungen, die sich schließlich im Allegro con brio weiter entfalten. Der vierte Satz besticht mit dahinstürmenden Jubel in hellstem A-Dur, den dynamisch treibenden Orchesterschlägen und furios auf und niederwallenden Terzketten mit maximaler orchestraler Klangentfaltung. Nach dem großen Finale wollen die stehenden Ovationen nicht enden. Die Botschaft der Völkerverständigung setzt sich bei einer Begegnung bei Klosterbier und Klosterwein im Innenhof und im Konventgang des Klosters fort.
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.