Die Geschichte der Kultur ist weitgehend eine Geschichte der Kontakte. Ein wunderbares Wort. Kontakte und Begegnungen in der Begegnungsstätte Speinshart mit jüdisch-israelischer Kultur sind dabei in ihrer historischen und zeitgenössischen Dimension etwas Besonderes. Erst recht mit Blick auf die jüngsten antisemitischen Vorfälle. Die Geschichte verbindet Israel und Deutschland stärker als andere Länder. Deshalb gehört die vielseitige Sicht auf Israel und auf das Musikleben dieses kleinen Landes zu den Generalthemen des Festivals junger Künstler Bayreuth und damit verbunden des Speinsharter Musiksommers.
Die Liebe zur Musik und die dramaturgische Idee einte am Mittwochabend wieder Akteure und Publikum zu einer emotionalen Heimat und lenkten den Blick auf Orient und Okzident, auf Judentum und Christentum, auf vergangene und neue Kulturen. Dieses Unerhörte titulierten die Macher des Konzerts in der vollbesetzten Klosterkirche treffend mit „Feuer & Fantasie“. Unter Leitung des international anerkannten Dirigenten Guy Feder verzauberten gleich zwei Ensembles die gut 250 Besucher. Vom Dirigenten unterhaltsam moderiert, verstand es zunächst das Streichorchester „Israel K-Strings“, ein international bedeutender Klangkörper mit 28 jungen Musikern aus ganz Israel, mit ihrer jugendlichen Unbekümmertheit in Geschichten und Dramen hineinzuführen und sie in vollendeter Harmonie zu vereinen.
Diese Sehnsucht nach Frieden im Lande spiegelte sich bereits im Lied „Jerusalem aus Gold“ von Naomie Shemer wider. Der Text beschreibt die Jahrtausende alte Sehnsucht der Juden nach „ihrem“ Jerusalem und ist auch in der Schlussszene des weltberühmten Films „Schindlers Liste“ enthalten. „Jerusalem aus Gold und Licht, lass mich doch für alle deine Lieder die Geige sein“. Die Geigen waren es dann auch, die in der Streichersinfonie Nr. 10 in h-moll von Felix Mendelssohn Bartholdy den Ton angaben. Ein Programm für Violinen ist immer eine besondere Herausforderung, für den Interpreten wie auch für die Hörerschaft. Es verlangt nach ein starken Konzentration und Hingabe von beiden Seiten. Musterbeispiel für die exzellente Klangformung wie auch das virtuose Musizieren auf hohem Niveau waren im Anschluss an Mendelssohns Streichersinfonie die „Elegie für Streicher“. Das Orchester spannte einen Bogen zu Josef Bardanashvili. Von ein paar leidenschaftlichen Ausbrüchen abgesehen blieb der Ton in diesem kurzen aber nicht unkomplizierten Stückchen verhalten bis zart schwelgerisch.
Orchestersound mit schöner Politur und orientalischem Hauch, temperamentvoll und verführerisch, erklang schließlich mit „Longa Ajam“ und dem Traditionell „Hora Taipei und Zefky“. Die musikalische Reise kannte keine Berührungsängste zwischen Klassik, Volkslied, Klezmer und anderen Genres der Weltmusik. Besonders die Seele erwärmenden und fröhlich machenden Klangvariationen jüdischer Volksmusiktradition begeisterte. Nicht umsonst denkt man bei „Hora Taipei“ an Wärme und Leidenschaft. Solist Itay Dayan (Klarinette) verzauberte dabei mit einem Auftritt voller mitreißender und überschäumender Lebensfreude.
Untrennbar sind Melancholie und Fröhlichkeit in der Tradition jüdischer Kultur verbunden.
Im zweiten Teil des Konzerts bewies das junge Quintett „Tel Aviv Winds“ leidenschaftliches Musizieren gemäß dem Unterthema „Vorsicht. Leidenschaft“. Das Ensemble mit den Musikern Itay Shamir (Flöte), Lior Halili (Oboe), Itay Dayan (Klarinette), Daniel Wassermann (Horn) und Rotem Nir (Fagott) rundete das Abendprogramm mit farbenfreudigen, unterhaltsamen Bläserklängen ab. Neben dem klassischen Repertoire brachten die Gruppe auch Volksmusik sowie geistliche Musik von israelischen Komponisten zur Aufführung. Das Ensemble ließ das Publikum in eine besondere Welt der Poesie und Musik eintauchen. Ihre Verbindung von Präzision, von Virtuosität und emotionaler Dichte machten den Auftritt zum aufregenden Erlebnis.
Die „Ausgesuchten Orgelwerke BWV 539 und 578“ von Johann Sebastian Bach nach einem Arrangement von Mordechai Rechtman bebilderte das Ensemble mit kontrastreichen Stücken aus der „Dreigroschenoper“. Der Talmud berichtet: „Zwei Engel begleiten einen Menschen am Vorabend des Schabbats von der Synagoge zu seinem Zuhause“. Mit dem Lied vom „Shalom Aleychem“, das den Schabbat-Engel begrüßt und um den Segen bittet, beendete das Quintett mit spirituell anmutender Zärtlichkeit im Umfeld der zahlreichen Engel im barocken Juwel der Klosterkirche einen lebensbejahenden Konzertabend. Zugaben waren ein Muss.
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