Sulzbach-Rosenberg
23.09.2019 - 15:10 Uhr

Der edle Hirsch als "arme Sau"

Der Hirsch und seine artverwandten Genossen leiden. Statt Jägerlatein bot die Lesung mit Wilhelm Bode im Literaturhaus eine Abrechnung mit tradierten Jagd-Gepflogenheiten und war zugleich eine Liebeserklärung an den König des Waldes.

Ein engagierter Fürsprecher für ein Umdenken bei Jagd und Forstwirtschaft ist Wilhelm Bode. Bei seiner der Lesung im Literaturhaus Oberpfalz räumte er auf mit Jagdromantik und Trophäenstolz. Bild: aks
Ein engagierter Fürsprecher für ein Umdenken bei Jagd und Forstwirtschaft ist Wilhelm Bode. Bei seiner der Lesung im Literaturhaus Oberpfalz räumte er auf mit Jagdromantik und Trophäenstolz.

Der Hirsch und seine artverwandten Genossen leiden. Statt Jägerlatein und Waldidylle bot die Lesung mit Wilhelm Bode im Literaturhaus Oberpfalz eine schonungslose Abrechnung mit tradierten Jagd-Gepflogenheiten und zugleich eine glühende Liebeserklärung an den König des Waldes.

Es sei eine mutige Einladung, befand Wilhelm Bode als Antwort auf die Begrüßung durch Gastgeberin Patricia Preuß. Mutig, weil man mit ihm einen erklärten Non-Konformisten für die Lesung gewählt habe und dann noch mit dem Hirsch als Thema. Zudem sei er trotz seines trachtigen Outfits keineswegs Bayer, sondern Westfale mit der dort typischerweise verorteten Kopf-durch-die Wand-Mentalität.

Damit lag der provokante Ansatz also gleich zu Anfang klar auf dem Tisch. Der Jurist, Forstwirt, Naturschützer und passionierte Jäger ist aber auch ein großer Hirsch-Fan, der die Augen nicht vor den Grausamkeiten und dem Elend verschließen will, mit denen der Mensch die stolzen Tieren seit Jahrhunderten quält.

Wie immer bei großen Lebens-Lieben kann auch Wilhelm Bode den Zeitpunkt, an dem alles begann, genau benennen: Es war Weihnachten 1954 als der damals Siebenjährige Walt Disneys „Bambi“ im Kino des Vaters kennenlernte - übrigens ein Weißwedelhirsch, so der Kenner.

Sein so aufwendig wie liebevoll gestaltetes Portrait-Büchlein umfasst sieben Kapitel, in denen Bode alles skizziert, was man im Rahmen einer kritischen Betrachtung der Kultur- und Naturgeschichte von Hirsch und Co. wissen sollte. Mit besonderem Stolz verweist er dabei auf die von ihm bei Schreiben entdeckte Nähe zur literarischen Figur „Don Quijote“ und deren Schöpfer Miguel de Cervantes, der schon kraft Geburt das spanische Wort für Hirsch im Namen trage.

Der Hirsch stehe aber auch immer für das ewige Verletztsein. Die mexikanische Malerin Frida Kahlo etwa benutzte diese Metapher, um in ihrem Selbstportrait „Der verletzte Hirsch“ mit neun Pfeilen im Tierkörper ihre eigenen neun großen Lebensprüfungen zu versinnbildlichen.

Der weitere, trotz ernster Thematik amüsant gestaltete Überblick zum Buch streifte den kritischen Ansatz zur aktuellen Waldwirtschaft ebenso wie die Hubertus-Legende als gewillkürte Fiktion, die scharfe Kritik an der Trophäen-Jagd und natürlich Bodes nachdenkliche Reflektion eigener Jagd-Erlebnisse. Dass ihm der Vater als Siebenjährigen bereits das erste Gewehr in die Hand drückte, stuft er im Nachhinein durchaus als unverantwortlich ein. Andererseits habe gerade damit die lebenslange Leidenschaft für die Jagd, den Wald und die Natur ihren Anfang genommen.

Für Bode ist es im Übrigen kein Widerspruch, einerseits passionierter Jäger zu sein und andererseits die Gepflogenheiten der Jagd anzuprangern: „Jagd ist richtig und wichtig, man muss aber verlangen, dass richtig gejagt wird“. Also ohne unnötiges Leid, damit der durch Waidmänner und die moderne Land- und Forstwirtschaft aufs Schlimmste gequälte Hirsch nicht länger „eine arme Sau“ bleibt.

Info:

Service

Das Buch "Hirsche - Ein Portrait" mit Illustrationen von Falk Nordmann, 156 Seiten, Hardcover gebunden, ist in der Reihe Naturkunden als Band 046 bei Matthes & Seitz Berlin erschienen und kostet 18 Euro.

 
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