Sulzbach-Rosenberg
27.10.2019 - 14:11 Uhr

Gegenwarts-Schicksale aus Südböhmen

Übliche Lesungspfade wollten Schriftsteller Jiří Hájíček und Übersetzerin Kristina Kallert nicht weiter austreten. Stattdessen setzten sie im Literaturhaus Oberpfalz den Schwerpunkt auf Gespräch.

Abwechselnd lasen Schriftsteller Jiří Hájíček und Übersetzerin Kristina Kallert aus "Der Regenstab". Bild: aks
Abwechselnd lasen Schriftsteller Jiří Hájíček und Übersetzerin Kristina Kallert aus "Der Regenstab".

Beide blätterten ausschließlich durch die hinteren Seiten des Romans „Der Regenstab“. Bevor Jiří Hájíček mal ein klein wenig auf Tschechisch, mal längere Passagen auf Deutsch aus dem vielschichtigen Leben seines Midlife-Crisis geplagten Protagonisten Zbyněk vorträgt, übernimmt Kristina Kallert die Vorstellung des tschechischen Gastes und ebenso wie die detaillierte Einführung in sein vier Erzählsammlungen und fünf Romane umfassendes Œuvre.

Vielfach ausgezeichnet

Auch die zahlreichen Auszeichnungen und Ehrungen, die Hájíček in seiner Heimat erhalten und erfahren hat, finden Erwähnung. Die intensive Auseinandersetzung der Übersetzerin Kallert mit den Strukturen und dem Stil des vorgestellten Romans bricht sich in ihrer Moderation immer wieder Bahn, etwa wenn sie die verschiedenen Perspektiven des Werkes erläutert und den Autor als stillen Beobachter und empathischen Erzähler charakterisiert.

Wichtig ist ihr zudem, dem Vorurteil zu widersprechen, Jiří Hájíček Blick sei auf Themen seiner südböhmischen Heimat verengt. Es handele sich vielmehr um allgemeine Themen der Gegenwart am Beispiel Südböhmens. Ihn interessiere das menschliche Schicksal, wird der Schriftsteller später dazu ergänzen. Konkret tauchen im „Regenstab“ Stadt-Land-Konflikte ebenso auf wie damit verbundene Fragen der moralischen Haltung und auch zwei reale Figuren haben Eingang in die Fiktion gefunden. Zum einen der Schriftsteller-Freund David Jan Žák, der hier im Zirkuswagen einen Roman über die zweite historische Person, den legendenumwobenen tschechischen Flugpionier Vít Fučík Kudlička schreibt.

Letzterer bot Anlass für einen längeren Gesprächs-Exkurs, wie überhaupt alle Fragen der Zuhörer sehr ausführliche Antworten fanden. Und obwohl der Schriftsteller hörbar gut deutsch spricht, versteht und liest, schlüpfte Kristina Kallert immer wieder in die Rolle der Dolmetscherin: „Ich muss das ausnutzen, wenn meine Übersetzerin hier dabei ist“, so Jiří Hájíček schmunzelnd. Zu erfahren war aber auch, dass es für Literaten in Tschechien kaum ohne Brotberuf geht, im konkreten Fall der des Währungshändlers in der Budweiser Geschäftsstelle einer österreichischen Bank. Nach seinem schriftstellerischen Werdegang befragt, führte der Gast seine große Leidenschaft fürs Lesen als grundlegende Motivation an. Sein Schreibzyklus pro Roman umfasse alles in allem drei bis vier Jahre - er schreibe langsam.

Zuversichtliche Übersetzerin

Die letzte Publikumsfrage blieb der Übersetzerin vorbehalten. Mit ihren Ausführungen über Originale mit gutem Rhythmus und einer einsetzenden Sogwirkung machte sie spürbar, wie viel mehr als nur reine Wortübertragungen in ihrer eigenen Arbeit liegt. Die Wahrscheinlichkeit eines zweiten auf Deutsch erscheinenden Hájíček-Roman hielt sie durchaus für gegeben.

Info:

Service

Der Roman „Der Regenstab“, gebunden, 272 Seiten, ist im Verlag Karl Rauch erschienen und kostet 22 Euro.

 
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