Sulzbach-Rosenberg
23.11.2018 - 13:42 Uhr

Jeder hat die Wahrheit gepachtet

Schriftstellerin Julia Schoch mit Doppel-Rolle zu Gast im Literaturhaus Oberpfalz

Julia Schoch demonstriert im Literaturhaus Oberpfalz Schriftstellerei in Theorie und Praxis. Bild: aks
Julia Schoch demonstriert im Literaturhaus Oberpfalz Schriftstellerei in Theorie und Praxis.

Einen Abend lang wechselt Julia Schoch im Literaturhaus Oberpfalz die Seiten. Und so verwandelt sich die Leiterin des Roman-Seminars „Die große Tour“ der Bayerischen Akademie des Schreibens in die Schriftstellerin, die Rede und Antwort steht zu ihrem neuen Roman „Schöne Seelen und Komplizen“ .

Anders als bei gewöhnlichen Veranstaltungen dieser Art sieht sich Julia Schoch diesmal mit geballter Fachkunde konfrontiert, haben sich doch neben den 16 Seminarteilnehmern auch Rowohlt-Lektor Wilhelm Trapp sowie Schriftstellerkollege und Gastreferent David Wagner unter die Zuhörerschaft gemischt. Aber: Für die in sich ruhende und routinierte Vorleserin stellt das offenkundig keine Herausforderung dar.

Nach einer kleinen Volte über ihren Job als Filmvorführerin in einem kleinen Programmkino in Potsdam, ihre Tätigkeit als Übersetzerin von Fred Vargas und Georges Hyvernaud, wendet sich der Blick direkt auf das zweigeteilte Szenario ihres neuen Romans.

Darin begegnen sich 16 Protagonisten zwei Mal im Leben: Als Abiturienten eines ostdeutschen Elitegymnasiums in den Jahren von Mauerfall und Wiedervereinigung sowie 30 Jahre später als von den Widrigkeiten des Lebens gebeutelte Erwachsene. Aus den „oft kurzen, prägnanten Geschichten“ habe sie ein „großes Panorama beider Zeiten“ geformt, konstatiert Julia Schoch, die sich auch darüber freute, zum ersten Mal ihre Figuren mit Vor- und Nachnamen auszustatten.

Alle Statements sind geprägt von der Ich-Form, weil „jeder Recht hat mit seiner Mission und jeder die Wahrheit gepachtet hat“. Die frühe Erkenntnis, ein solches Panoptikum nicht mit einer einzigen Perspektive greifen zu können, habe sie als sehr erhellend empfunden.

Zudem könne nicht jedem alles in den Blick kommen, aber jedem etwas anderes. Dass die geschichtsträchtigen Ereignisse selbst nur indirekt und peripher angerissen werden, unterstreicht das Konzept, auch alle zeitlichen Orientierungspunkte allein über die einzelnen Figuren zu transportieren.

Sie habe im Übrigen bewusst kein abschließendes Urteil über die einzelnen Strategien fällen wollen: „Jeder beantwortet die Frage nach der Vergangenheit anders. Jedes Programm hat Recht“. Und so versuchten eben manche die Fäden zwischen früher und heute zu verknüpfen, während andere diese Stränge nur allzu gerne durchschneiden.

Was angesichts des eher nüchtern gehaltenen Tons nicht unbedingt erwartbar ist: Es wird viel gelacht und noch mehr geschmunzelt, als Julia Schoch so lakonisch wie trocken die immer nur in diverse Alexander verliebte Franziska Stellmacher, den tragischen Klassen-Nerd Bodo Stamm oder die geschiedene Pharmareferentin Cornelia Tessmann-Flügge mit ihren hintersinnig bis boshaften Betrachtungen ins Spiel bringt.

Am Ende des kompakten Lesungs-Pakets sind keine Fragen offen. „Wir sind einfach nur glücklich“, heißt es aus den Reihen des Publikums. „So soll es sein, dazu bin ich hier“ quittiert die Schriftstellerin die wunschlose Zufriedenheit im Literaturhaus Oberpfalz.

Info:

Der Roman "Schöne Seelen und Komplizen",320 Seiten, ist im Piper Verlag erschienen und kostet 20 Euro, als E-Book 16,99 Euro.

 
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