Unter dem Motto "Transantionale Akzente - Zur vermittelnden Funktion von Literatur- und Kulturzeitschriften im Europa des 20. Jahrhunderts" begrüßt das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg vom 6. bis 8. Dezember namhafte Vertreter der Literaturszene. Am Podiumsgespräch am Donnerstag, 6. Dezember um 19.30 Uhr nimmt auch Hanser-Verleger und "Akzente"-Herausgeber Jo Lendle teil. Für die Fragen der Kulturredaktion hat er sich schon vorab Zeit genommen:
ONETZ: Herr Lendle, Sie sind Schriftsteller, Verleger des Carl Hanser Verlags und geben auch noch die Literatur-Zeitschrift „Akzente“ heraus – wie ist so ein Pensum zu stemmen?
Was heißt schon stemmen? Es gäbe ja immer noch weitere Manuskripte zu prüfen, zu verlegen, zu schreiben, da steht einem selbst das Ungestemmte mehr vor Augen als das Erledigte. Ansonsten ist das Stemmen bei Hanser Teamsport – und wenn die Bücher, die wir in die Höhe drücken, entdeckt und gelesen werden, beflügelt das zu weiteren Anstrengungen.
ONETZ: Seit Sie mit dem Verlag auch die Zeitschrift „Akzente“ übernommen haben, laden Sie zu jeder Themen-Ausgabe einen Mitherausgeber ein. Was haben Sie zuerst im Kopf: Den Gast oder das Thema?
Den Gast. Mit dem oder mit der entwickeln wir dann die Überschrift des nächsten Heftes, wägen mögliche Beiträgerinnen und Beiträger ab und laden die dann zum Mitschreiben ein.
ONETZ: Wie lange brauchen Sie und Ihre Mitarbeiter anschließend bis eine der vierteljährlich erscheinenden Ausgaben komplett ist?
In der Regel haben die Autoren ein Vierteljahr Zeit zum Schreiben, dann schauen wir die Texte durch, besprechen womöglich noch dies und das mit den Autoren und basteln dann daraus das Heft.
ONETZ: Wie viel Walter Höllerer und Hans Bender steckt heute noch in „Akzente“?
Die Grundidee einer Literaturzeitschrift: dass aus der Versammlung der Einzelheiten ein Gemeinsames entsteht. Dass die separaten Stücke – ohne es zu wissen – miteinander zu sprechen beginnen und im Kopf der Leser aufeinander reagieren. Und natürlich verbindet uns der Versuch, relevante Stimmen der Gegenwart im Heft erscheinen zu lassen. Was sich verändert hat: Die damalige Gegenwart weicht hier und da von der heutigen ab. Was nicht ohne Auswirkungen auf die Literatur bleiben kann.
ONETZ: Kann sich eine gedruckte Literaturzeitschrift in unserer digitalen Gegenwart überhaupt noch gegen Blogs, Social Media etc. behaupten?
Da verschiebt sich tatsächlich etwas. Der Appetit auf Literaturzeitschriften ist weniger groß, wenn es andere Orte der Begegnung gibt, wenn neue Bündnisse anderswo eingegangen werden können, wenn neue Schreibformen unmittelbarere Aufenthaltsorte finden. Aber Literatur ist weniger fluide als manche SMS, da bildet Papier tatsächlich eine Art Bilderrahmen, in dem sich ein Gedicht oder eine Erzählung anders bewähren kann und muss.
ONETZ: Und was kann sie eigentlich immer noch erreichen?
Entdeckungen. Das ist ihr eigentlicher Sinn und Zweck. Literaturzeitschriften haben immer schon einen Raum geschaffen, in dem nicht das abendfüllende Gesamtkunstwerk Aufführung halten muss, sondern wo etwas ausprobiert werden kann. Das scheint mir heute, wo viele Bücher unter erheblichem ökonomischem Erwartungsdruck stehen, nicht weniger wichtig als früher.
ONETZ: Wenn Sie als ausgewiesener Kenner jetzt den Blick in die Zukunft richten: Sind Printmedien Ihrer Meinung nach langfristig vom Aussterben bedroht?
Nein. Natürlich kann ich mir gerade für kürzere Formen auch kluge Präsentations- und Diskussionsformen abseits von Print ausmalen, manches gibt es ja schon. Aber Zeitschriften und Bücher sind für die Literatur ein so ideales Gefäß, darauf möchte man nicht verzichten.
ONETZ: Was erwarten Sie sich vom Austausch mit den Kollegen Thomas Geiger, Peter Jehle und Jürgen Link im Literaturhaus Oberpfalz?
Aus unseren jeweiligen Antworten auf all solche Fragen zu Synthesen zu gelangen. Ganz ähnlich dem Vorgehen einer Literaturzeitschrift, wo ja auch das Ganze noch einmal eine andere Kategorie bildet als die Summe der Einzelbeiträge.
ONETZ: Das Symposium findet an einem Ort statt, für den Walter Höllerer und natürlich auch die Zeitschrift „Akzente“ von zentraler Bedeutung sind – ein besonderer Ort auch für Sie?
Nicht jede Literaturzeitschrift hat einen Ort, der mit ihr verknüpft ist. Für die Akzente ist das das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg geworden. Um so schöner, dass das Symposium in dieser zweiten Heimat abgehalten wird.
Alle Informationen zur Veranstaltung unter Tel. 09661/8159590 oder info[at]literaturarchiv[dot]de.
Schriftsteller und Verleger Jo Lendle wurde am 28. Februar 1968 in Osnabrück geboren, wuchs in Göttingen auf und hat Kulturwissenschaften in Hildesheim und Montreal/Canada studiert und zählt zum ersten Jahrgang des Literaturinstituts Leipzig . Ab 1997 war er bei DuMont zunächst als Lektor, später als Programmleiter für deutschsprachige Literatur und verlegerischer Geschäftsführer tätig. Seit 2014leitet er den Carl Hanser Verlag und gibt die Literaturzeitschrift "Akzente" heraus.
Die Literaturzeitschrift "Akzente" wurde 1953 von Walter Höllerer und Hans Bender gegründet. Seit 1954 erscheint sie zweimonatlich im Carl Hanser Verlag und veröffentlichte neben vielen anderen namhaften Schriftstellern auch zahlreiche Texte der "Gruppe 47". Die Redaktionskorrespondenz aus den Jahren 1954 bis 1970 mit über 35.000 Briefen von und an Autoren bildet den Gründungsbestand des Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg.
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