Schriftsteller Jan Brandt kommt mit der Doppelgeschichte "Ein Haus auf dem Land/Eine Wohnung in der Stadt" ins Literaturhaus Oberpfalz. Mehr von den existenzbedrohenden Konsequenzen der Wohnungsknappheit in Berlin und des profitorientierten Immobilienmarktes auf dem ostfriesischen Land erzählt er bei der Lesung am Donnerstag, 5. Dezember (19.30 Uhr) in Sulzbach-Rosenberg. Ein Interview.
ONETZ: Herr Brandt, haben die im Buch festgehaltenen Erfahrungen dazu geführt, Ihr Honorar diesmal in eine eigene Immobilie zu investieren?
Jan Brandt: Nein. Es ging mir auch nicht darum, in irgendein Haus zu investieren, oder um Besitz im Allgemeinen, sondern darum, das Haus meines Urgroßvaters vor dem Abriss zu retten, ein Stück einzigartige Familien- und Kulturgeschichte zu bewahren – etwas, das viel mehr wert ist als alles Geld der Welt.
ONETZ: Nachdem das Haus Ihrer Vorfahren in Ostfriesland verloren war und die Wohnungssuche in Berlin dramatische Formen angenommen hatte – woher haben Sie die Kraft genommen, trotzdem weiterzumachen und nicht aufzugeben?
Das war ein reiner Existenzkampf. Ich hatte nach der Eigenbedarfskündigung in Berlin keine Wohnung mehr und fand lange Zeit auch keine neue, war elf Monate auf Wohnungssuche, habe zwischenzeitlich bei Freunden auf der Couch geschlafen, über mehrere Wochen hinweg. Irgendwo muss ich ja bleiben, also habe ich weitergesucht. Wenn es in Berlin aber nicht mehr geklappt hätte, wäre ich aufs Land gezogen. Aber wie mir geht es inzwischen vielen. Die Wohnungskrise ist in der Mittelschicht angekommen.
ONETZ: Wäre der jetzt beschlossene Berliner Mietendeckel für Sie eine Hilfe gewesen?
So sehr ich das auch begrüße: Ich fürchte, dass das gar nichts bringen wird. Weil es juristisch nicht durchsetzbar ist und es wie immer zu viele Ausnahmen gibt, zu viele Gesetzeslücken. Außerdem werden Investoren jetzt nur noch in Eigentumswohnungen investieren. Der Mietendeckel würde nur dann auf dem Mietmarkt spürbar Erleichterung schaffen, wenn es gleichzeitig einen neuen sozialen Wohnungsbau gäbe. Aber all das sind langwierige Prozesse. Bis sich da etwas tut, sind die fünf Jahre Mietendeckel schon wieder vorbei.
ONETZ: Gab es im Hinterkopf auch Überlegungen, es Ihrem Urgroßvater gleichzutun und Ihr Glück in Amerika zu suchen?
Nein. Für mich war der Amerikanische Traum immer eine Illusion. Ich habe Ende der Neunzigerjahre den Berliner Traum gelebt, bin in den vollkommen heruntergekommenen Prenzlauer Berg gezogen. Die Stadt war damals ja eine antikapitalistische Utopie: So viel Wohnraum für so wenig Geld, dass man sich als junger Schriftsteller dort ausprobieren konnte. Diese Zeit ist für immer vorbei. Jetzt gibt es keine Träume oder Utopien mehr. Es geht nicht mehr um die Frage, wie man leben will, sondern darum, was man sich noch leisten kann – und wo.
ONETZ: Ist ein Häuschen in der ostfriesischen Heimat eine Option für die Zukunft?
Angesichts weiter steigender Mieten in Berlin wird mir wohl gar nichts anderes übrigbleiben, als die Stadt irgendwann zu verlassen.
ONETZ: Wenn der Kopf jetzt hoffentlich frei ist von existenziellen Ängsten und Bedrohungen – haben Sie schon Ideen für ein neues Roman-Projekt?
Ja. Ich arbeite gerade an einem großen Auswandereroman, der aber erst in den 1950er Jahren einsetzt und bis in die Gegenwart reicht. Ein großer deutsch-amerikanischer Gesellschaftsroman, dessen Geschichte vom Dritten Reich bis zu Trump reicht.
ONETZ: Und vielleicht noch ein kleiner Tipp für die Leser des aktuellen Buches: Mit welchem Teil des Buches sollte man idealerweise beginnen?
Das ist ja der Witz dieses Wendebuches: Dass das jeder und jede selbst entscheiden muss, ob man lieber mit dem Land- oder dem Stadtteil beginnt. Beide Zugänge zur Wohnungsfrage sind gleich wichtig. Deshalb wollte ich das nicht nachordnen und eine Lesart vorgeben.
Service
Die Lesung wird moderiert von Patricia Preuß. Eintritt 7 Euro, Reservierungen und Informationen unter Tel. 09661/8159590 oder info[at]literaturarchiv[dot]de.
Das Buch „Ein Haus auf dem Land/Eine Wohnung in der Stadt, Von einem, der zurückkam, um seine alte Heimat zu finden/Von einem, der auszog, um in seiner neuen Heimat anzukommen“, 424 Seiten, Wendebuch gebunden, mit 40 farbigen Abbildungen, ist im DuMont Buchverlag erschienen und kostet 24 Euro
Jan Brandt wurde 1974 in Leer/Ostfriesland geboren. Er studierte Geschichte und Literaturwissenschaften in Köln, Berlin und London und ist Absolvent der Deutschen Journalistenschule München. Sein Debüt-Roman „Gegen die Welt“ schaffte es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2011 und wurde mit dem Nicolas-Born-Debütpreis ausgezeichnet.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.