Krimi und Kriminalroman werden gerne als Synonyme verwendet. Abgesehen vom verbindenden Verbrechen können dazwischen aber literarische Welten liegen, wie Schriftsteller Oliver Bottini und Moderator Thomas Wörtche im Literaturhaus Oberpfalz vorexerzierten.
Klassische Krimipassagen langweilen ihn, das stereotype Polizeihandwerk interessiert ihn nicht und zu einer Tatortbesichtigungs-Szene hat er sich in „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ zum ersten Mal überhaupt hinreißen lassen. Stattdessen geht der in Nürnberg geborene, mittlerweile in Frankfurt lebende Oliver Bottini in den Charakteren, Schicksalen und Gefühlen seiner Figuren auf.
Rezeptionist und Mediator
Dieses fein austarierte Gespür für alle Facetten des menschlichen Daseins mag auch aus Bottinis beruflichem „Vorleben“ stammen, in dem er nicht nur als Pensions-Rezeptionist und kurzzeitiger Hausmeister im Mädchenpensionat Erfahrungen gesammelt, sondern auch die Kunst des Zwischenmenschlichen als Familien- und Wirtschaftsmediator erlernt hat.
Dass seine Romane vielfach und in steter Regelmäßigkeit mit Preisen ausgezeichnet und auch zweimal bereits verfilmt wurden, liegt zudem an den bewegenden Themen, die der Schriftsteller aus den Winkeln der Verdrängung ins Bewusstsein rückt. Im Falle seines neuesten Buches ist es das mit dem deutschen Wort „Landraub“ nicht ganz treffend übersetzte internationale Phänomen „Land Grabbing“.
Zwischen Rumänien und Mecklenburg-Vorpommern
Auf diese groß angelegte Aneignung von Agrarflächen durch ausländische Interessenten sei er im Zusammenhang mit Äthiopien gestoßen, habe das Szenario dann aber nach Rumänien verlegt - „das war mir näher“, so Bottini. Als zweiten Pol der Handlung wählte er Mecklenburg-Vorpommern, wo riesige Monokulturen und Verödung zwar gravierende Folgen zeitigen, als Thema aber nicht sexy und spektakulär genug seien für den großen Fokus: „Der Weg vom Feld zum Teller und in unser Gehirn ist sehr weit“.
Der Schriftsteller hat über beide Schauplätze so genau wie intensiv recherchiert, seine Rumänien-Reise wurde, wie übrigens auch die Lesung im Literaturhaus Oberpfalz, von der Robert Bosch Stiftung gefördert. Insofern überrascht sein Bekenntnis, sich immer vom Thema aus einem neuen Roman anzunähern, wenig. Und erst wenn das Setting aufgebaut ist und die ersten Figuren kommen, sehe er Platz für das Verbrechen, ohne das nun mal auch der literarischste Kriminalroman nicht auskommt.
"Ausgefuchste Feinmechanik"
Thomas Wörtche wiederum beherrscht als Literaturkritiker, Krimikolumnist und ausgewiesener Kenner der Szene die Klaviatur des Moderierens, indem er nicht allzu viel in den Fragen vorwegnimmt und gleichzeitig immer wieder neue spannende Aspekte ins Spiel bringt. Weitsichtig spürt er der „ausgefuchsten Feinmechanik“ der Figuren nach und öffnet so dem Publikum den Blick auf die ganze Bandbreite der vielschichtig angelegten Handlung .
Der anregende Dialog auf dem Podium geht allerdings ein wenig auf Kosten der Leseproben. „Eigentlich wollte ich ja mehr lesen, aber wir verplappern uns immer“, konstatiert schließlich der Autor. Für die Einführung des Kommissars Ion Cozma und das genrestiftende Verbrechen blieb jedoch ebenso Zeit wie für die Fragen des Publikums, die sich vor allem um die Recherche vor Ort in Rumänien drehten und im Handumdrehen neue Geschichten und Anekdoten sprudeln ließen.
Der Roman „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ ist im Dumont Buchverlag erschienen und kostet 22 Euro, als E-Book 17,99 Euro.
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