„Kennen Sie Gebirtig?“: Diese Frage hat schon zu Lebzeiten des „Vaters des Jiddischen Liedes“ manchen in Verlegenheit gebracht. Dank Uwe von Seltmanns multimedialer Präsentation wird das Publikum in der ehemaligen Synagoge diese Frage zukünftig mit einem wissenden „Ja“ beantworten.
Während Mordechai Gebirtig sein Leben unter ärmlichen Umständen in Krakau zubrachte, fanden seine Gedichte und Lieder von Anfang an ihren Weg hinaus in die Welt. Endgültig unsterblich wurde der 1942 kurz vor der Deportation von den Nazis erschossene Gebirtig mit der bis heute lebendigen Hymne des Widerstands „Es brennt“- entstanden 1936 als Reaktion auf das Pogrom in dem bei Warschau gelegenen Przytyk.
Die brandaktuellen Bezüge zur Gegenwart liegen so offensichtlich auf der Hand, dass jedes weitere Wort überflüssig war. Überhaupt erweist sich Uwe von Seltmann als zurückhaltender Biograf, der das glücklicherweise noch vorhandene, in akribischer Recherchearbeit zusammengetragene Material in den Vordergrund stellt.
Der Sprung von nüchternen Fakten zum authentischen, persönlichen Eindruck gelingt ihm mit sorgfältig ausgewähltem Ton- und Bildmaterial. Man muss Mordechai Gebirtigs Lieder hören, um all die darin komprimierte Lebensfreude und Lebensklugheit, seine Trauer und Sorge zu erkennen. Noten lesen konnte der große Liedvater übrigens nicht.
Und natürlich muss man auch diese besondere Sprache Jiddisch mit eigenen Ohren hören. Von Seltmann spricht sie selbst und eröffnet den Abend denn auch mit „Scholem Alejchem“. Weitere Urgesteine des Jiddischen begleiten ihn in der Synagoge: So singt der mittlerweile verstorbene Shoah-Überlebende Emanuel Elbinger vor Ort in Krakau „S´brent“, der über 90-jährige Boris Dorfman intoniert einen weiteren, früheren Gebirtig-Hit „Kinder-yorn“. Den Bogen in die Moderne spannt Musiker Daniel Kahn.
Ursprünglich sollte Mordechai Gebirtigs Denkmal ein filmisches sein. Nachdem das Vorhaben jedoch an der Finanzierung scheiterte, kam der Zufall zu Hilfe und das mit dem homunculus verlag in Erlangen angedachte Büchlein wuchs und wuchs, bis es - erneut durch einen Zufall - um ein letztes, wichtiges Kapitel ergänzt, auf 400 Seiten kam. Weniger hätte einfach nicht gereicht.
Service
Uwe von Seltmanns Biografie "Es brennt. Mordechai Gebirtig, Vater des jiddischen Liedes", 400 Seiten, Hardcover, ist erschienen im homunculus verlag und kostet 38 Euro.
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