Sulzbach-Rosenberg
18.02.2020 - 15:54 Uhr

Die Welt einfach aussperren

Was tun, wenn man irgendwie völlig aus dem Leben gefallen ist? Die tschechische Schriftstellerin Tereza Semotamová hat da eine Idee. Sie lässt die Heldin ihres ersten Romans kurzerhand in einen Schrank ziehen. Ein Plan mit Überraschungen.

Tereza Semotamová Bild: Richard Klíčník
Tereza Semotamová

In Deutschland hat Hana ihr Glück nicht gefunden. Aber auch zurück in der tschechischen Heimat bleibt die verzweifelte junge Frau ein Fremdkörper und muss sich etwas einfallen lassen, um nicht unterzugehen. Vor der Lesung am Donnerstag, 20. Februar um 18.30 Uhr im Literaturhaus Oberpfalz verrät Tereza Semotamová, wie sie auf den irrwitzigen Plot gekommen ist.

ONETZ: Frau Semotamová, wie oft haben Sie sich selbst in einen Schrank gesetzt, um Eindrücke für Ihre Protagonistin Hana zu sammeln?

Tereza Semotamová: Eigentlich gar nicht. Nur einmal, nach dem Erscheinen des Romans, als ich in einem Möbelladen war, wo es viele verschiedene Schränke gab, hab ich sie gründlich angeguckt als potenzielle Wohnungen. Beim Schreiben habe ich vor allem mit einem Bild gearbeitet, und zwar wie fühlt sich das wohl an, wenn man so was von verzweifelt ist, dass man niemanden erträgt, in den Hinterhof einen Schrank installiert und dort sitzt. Kann man dort überhaupt einschlafen vor lauter Angst, was alles passieren könnte? Für meine Heldin ist dieser Rückzug die einzige Chance sich selbst zu retten und bietet ihr eine provisorische Freiheit.

ONETZ: Was hat Sie überhaupt auf ein Möbelstück als Rückzugsort vor der Welt gebracht?

Der Roman beginnt mit einer Szene, wo die Schwester der Heldin fragt, ob sie vielleicht jemanden kennt, der diesen Schrank gebrauchen könnte. Da beginnt meine Heldin nachzudenken und denkt sich: Wow, da könnte ich eigentlich wohnen. Sie will ihre Wohnungs- und Lebenssituation ändern, aber das mit dem Schrank sieht sie plötzlich als die Chance es zu machen. Eine Schnapsidee, die ihr Leben ändert.

ONETZ: Aber auch Hana stellt fest, dass niemand eine Insel ist. Gehört diese Erkenntnis auch zur Botschaft des Romans?

Ich glaube, jeder sieht da eine andere Botschaft und das ist auch das gute Recht von jedem Leser. Aber klar, niemand ist eine Insel, gleichzeitig fühlt man sich manchmal so schwach und verloren, dass man sich tatsächlich wie eine Insel fühlt. Meine Heldin scheute sich sehr, um Hilfe zu fragen, weil sie sich für ihre immer kuriosere Lebenssituation schämte, und das machte sie immer mehr verrückt.

ONETZ: Sie übersetzen deutschsprachige Literatur ins Tschechische. Wie genau haben Sie wiederum Ihrer Übersetzerin Martina Lisa „auf die Finger geschaut“?

Ja, es gab viele Gespräche. Ich habe selbst viel dabei gelernt. Letztendlich muss ich aber sagen, dass Martina das Buch sehr gut übersetzt hat. Es gibt da viel Realien und Zitate aus tschechischen Popsongs. Da braucht man jemanden, der solche Dinge auch im deutschen Kontext finden und vermitteln kann. Martinas Arbeit hat auch den deutschen Verlag überzeugt. Ich kann nicht klagen.

Buchcover Bild: Voland & Quist
Buchcover

ONETZ: Ihre Lesung im Literaturhaus Oberpfalz findet im Rahmen eines bayerisch-tschechischen Literaturaustausches statt. Wie stehen Sie zu solchen Kooperationen ?

Ja, ich finde jede internationale kulturelle Kooperation, vor allem face-to-face, wichtig. Erstens weil man neue Menschen kennenlernt und zweitens kann man auch in der Zukunft verschiedene Projekte initiieren. Ich freue mich auf Bayern!

Info:

Zur Person

Tereza Semotamová hat Germanistik und Drehbuch studiert, schreibt Hörspiele, Features und Kolumnen, übersetzt deutschsprachige Literatur ins Tschechische, unterrichtet und arbeitet für die deutsch-tschechische Plattform „jadú“. „Im Schrank“ ist ihr erster Roman. Sie lebt in Prag.

Info:

Zum Buch

Der Roman "Im Schrank",288 Seiten, gebunden, aus dem Tschechischen von Martina Lisa, ist im Verlag Voland &Quist erschienen und kostet 22 Euro.

Info:

Service

Die Lesung mit Tereza Semotamová findet am Donnerstag, 20. Februar um 18.30 Uhr im Rahmen des bayerisch-tschechischen Literaturaustausches im Literaturhaus Oberpfalz statt. Als deutsche Vertreterin ist die Autorin Kristina Pfister mit ihrem Roman „Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“ zu Gast. Es moderieren Michala Čičváková (Tschechisches Zentrum für Literatur) und Patricia Preuß. Bereits um 18 Uhr findet ein Empfang zur Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung mit dem Tschechischen Zentrum für Literatur mit Wissenschafts- und Kunststaatsminister Bernd Sibler (MdL) statt, zu dem alle Interessierten eingeladen sind. Der Eintritt ist frei.

 
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