Sulzbach-Rosenberg
25.09.2019 - 16:18 Uhr

Welterkenntnis durch Literatur

Der Verlag Matthes & Seitz Berlin hat die Natur im Blick und das Besondere im Programm

Matthes & Seitz Berlin - Verleger Andreas Rötzer Bild: Julia Vietinghoff
Matthes & Seitz Berlin - Verleger Andreas Rötzer

Der englische Begriff "Nature Writing" hat in Deutschland einen Namen: Matthes & Seitz Berlin. Mit seinen "Naturkunden" rückt der Verlag ins Zentrum, was bislang allenfalls literarische Nische ist. Die jährliche Vergabe des mit 10.000 Euro dotierten "Deutschen Preises für Nature Writing" unterstreicht dieses Engagement. Die exqisiten Editionen begeistern aber nicht nur Naturliebhaber, sondern auch alle Bibliophilen. Die Kulturredaktion hat bei Verlagschef Andreas Rötzer nachgefragt:

ONETZ: Herr Rötzer, was hat Sie 2004 dazu gebracht, den Verlag Matthes & Seitz Berlin zu übernehmen?

Andreas Rötzer : Um ein solches Unternehmen zu übernehmen, braucht es Glück und Gelegenheit. Beides hatte ich und gleichzeitig die Lust, etwas Neues zu wagen und über einen bereits hochrenommierten Verlag mit Büchern Einfluss zu nehmen auf öffentliche Debatten, ein Verlag ist für mich immer auch eine politische Institution, denn wir richten uns an eine breite Öffentlichkeit.

ONETZ: Ihr Verlagsprogramm besticht nicht nur mit exquisiten Inhalten, sondern auch mit hochwertigem Äußeren. Wie wichtig ist Ihnen Handwerkskunst?

Andreas Rötzer : Ein Buch ist ohne Material nicht denkbar, eine Ebook ist daher aus meiner Sicht kein Buch, sondern etwas anderes – und damit will ich es gar nicht schlecht machen. Form und Inhalt machen ein Buch aus, beides muss man aufeinander abstimmen. Da ich selbst aus dem Antiquariatsbuchhandel komme, stelle ich mir die Bücher von Matthes & Seitz Berlin immer vor, wie sie in 50 Jahren gehandelt werden, und dann sollen sie eben noch einen Wert haben. Ich nenne das den Antiquariatswert unserer Bücher. Wenn man sich daran orientiert, ist die Kunst der Gestaltung, des Bücherdruckens und –bindens eben sehr wichtig.

ONETZ: Neben den Reihen „Fröhliche Wissenschaft“ oder „Französische Bibliothek“ machen vor allem die „Naturkunden“ Furore – was hat Ihren Fokus auf dieses Feld gelenkt?

Andreas Rötzer : Nachdem wir 2009 mit großem Erfolg begonnen haben, die grandiosen „Erinnerungen eines Insektenforschers“ in 10 Bänden herauszugeben, war schnell klar, dass das Thema Natur ein Leitthema der nächsten Jahre werden würde, so entstand die Idee zu einer Reihe. Gleichzeitig wurde mir in der Retrospektive klar, dass unser Programm immer schon Verbindung zur Natur hatte: Theodor Lessing, Jürgen von der Wense, Tomas Espedal, Wassili Golowanow – alles Autoren, denen die Natur sehr viel bedeutet und die wesentliche Autoren des Programms sind. Durch die Begegnung mit Judith Schalansky nahm die Reihenidee dann in Form der Naturkunden Gestalt an.

ONETZ: Haben Sie einen ganz persönlichen Naturkunden-Lieblingsband?

Andreas Rötzer : Tatsächlich sind es alle, in ihrer ganzen Vielfalt und jeweiligen Einzigartigkeit. Aber wenn ich nur eins mit auf einen einsame Inseln nehmen dürfte, wären es die Birnen und Äpfel des Korbinian Aigner. Oder die Pilze von Jean-Henri Fabre, phantastische Bücher, Bildbände, die Gebetbüchern gleichkommen.

ONETZ: Dem „Nature Writing“ widmen die Bayerische Akademie des Schreiben und das Literaturhaus Oberpfalz im September ein Schreibseminar in Sulzbach-Rosenberg. Wieviel Potential steckt aus Ihrer Sicht in dem neuen Trend der deutschen Literatur?

Andreas Rötzer : Ich glaube, dass es kein Trend ist, denn der wäre irgendwann auch wieder vorbei. Ich glaube, dass es vielmehr ein neues Genre ist, eine Erweiterung der literarischen Formen, das uns von nun an begleiten wird. Wichtig finde ich dabei die Hinwendung des Blicks auf die uns umgebende Natur als Akteur, es ist eine Wiederaneignung der Natur, durch die ihr Schutz und achtsamer Umgang mit ihr erst ermöglicht wird.

ONETZ: Wie sehen Ihre nächsten Planungen für den Verlag aus?

Andreas Rötzer : Wir haben gerade mit Autoren wie Anna Weidenholzer, Ivna Zic und Philipp Schönthaler wunderbare Autoren im Herbstprogramm und werden so weitermachen, Welterkenntnis durch Literatur ist unser Programm.

Info:

Zum Verlag

Der Verlag Matthes & Seitz Berlin wurde 2004 in gegründet und setzt die von Axel Matthes und Claus Seitz 1977 in München begonnene verlegerische Tradition fort. Verleger ist seit 2004 Andreas Rötzer. Derzeit bringt der Verlag jährlich rund 80 Neuerscheinungen aus den Bereichen Literatur und Sachbuch heraus. Die von Judith Schalansky kuratierte Reihe "Naturkunden" begann 2013, aktuell sind 59 Bände erschienen. Seit 2017 vergibt der Verlag jährlich zusammen mit dem Bundesamt für Naturschutz den "Deutschen Preis für Nature Writing".

 
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