Seit 36 Jahren setzt sich die sprach- und sozialwissenschaftliche Zeitschrift "kultuRRevolution - zeitschrift für angewandte diskurstheorie" kritisch mit unterschiedlichsten Aspekten der Diskurstheorie und Diskursforschung auseinander . Anlässlich der Archivübergabe spricht Gründer und Mitherausgeber Jürgen Link, emeritierter Professor für Literaturwissenschaft und Diskurstheorie, am Freitag, 7. Dezember um 19.30 Uhr im Literaturhaus Oberpfalz über "Die Rote Ruhr-Armee und das Erbe der kultuRRevolution". Die Kulturredaktion hat nachgefragt:
ONETZ: Herr Link, was hat Sie 1982 zur Gründung der sprach- und sozialwissenschaftlichen Fachzeitschrift „kultuRRevolution“ inspiriert?
Der Begriff Kulturrevolution im Titel unserer Zeitschrift darf nicht vom Untertitel getrennt werden: „zeitschrift für angewandte diskurstheorie“. Entgegen der damaligen modisch-medialen Verengung auf China und Wandalismus ging es uns im weiteren Sinne um kulturelle Brüche und Neuerungen großen Stils, wozu auch Bewegungen wie die Aufklärung und die Romantik zählen. Im engeren Sinne wollten wir die Impulse der 68er Bewegungen und der künstlerischen Avantgarden weiterführen. Konkret hatte ich zusammen mit einigen Kolleginnen an der Ruhr-Universität Literatur-, Medien- und Diskurstheorie in diesem Sinne entwickelt. Nach Abschluss ihres Studiums besuchten uns oft „Ehemalige“ und fragten nach neuen Materialien – daraus entstand die Idee einer Zeitschrift.
Der Begriff der Kultur begann damals seine spektakuläre Karriere: Alles wurde Kultur – von der Firmenkultur bis zur Essenskultur. Die alten Geisteswissenschaften erfanden sich als Kulturwissenschaften neu und die „Cultural Studies“ schwappten von England auf den Kontinent. Die Definitionen von Kultur waren aber oft vage. Wir hatten ein von Michel Foucault inspiriertes klares Konzept: Kultur ist Interdiskurs, das heißt eine Art Querschnitt der jeweiligen Spezialisierungen mit ihren jeweiligen Innovationen wie der ebenfalls damals beginnenden Computerisierung. Als Kern des Interdiskurses und damit der Kultur betrachteten wir die Kollektivsymbolik, das heißt die kollektiv bekannte Bildlichkeit öffentlicher, gerade auch medialer Rede. Ein wichtiges Kollektivsymbol unserer Kultur ist eben der Computer: Das haben wir alle auf dem Schirm und gespeichert.
Die Kollektivsymbolik bestimmt also unseren Alltag, nicht zuletzt unsere Politik; sie bildet aber auch die Basis der Künste, die immer eine Tendenz zur Verfremdung der Kollektivsymbolik und damit zu kulturrevolutionären Interventionen haben. Davon also handelt unsere Zeitschrift – bis heute.
ONETZ: Wofür stehen die beiden großgeschriebenen „R“?
Das RR (wie auch in Rolls Royce) bildet eine Zäsurachse im Logo – kultur konsolidiert, evolution in Auflösung. Man kann es verschieden skandieren und lesen. Aber wie gesagt: Immer zusammen mit dem Untertitel.
ONETZ: Wer liest „kultuRRevolution“?
Vor allem Uni- und Schulleute, Medien- und Gewerkschaftsleute.
ONETZ: Warum ist das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg der richtige Ort für das „kultuRRevolution“-Archiv?
Walter Höllerers Zeitschriften, die eine Art Kern des Archivs bilden, stehen für neue Literatur und aktualhistorische Symptomatik sowie zeitdiagnostische Intervention, also Interdiskurs – im deutlichen Unterschied zu Fachzeitschriften im engen Sinne, also Spezialdiskursen. Insbesondere vom Programm von „Sprache im technischen Zeitalter“ ergeben sich Anschlussbrücken zur „kultuRRevolution“.
ONETZ: Bei Ihrem Besuch in Sulzbach-Rosenberg werden Sie auch an der Podiumsdiskussion „Zeitschriftenmacher“ teilnehmen. Welche Erwartungen haben Sie an den kollegialen Austausch mit Jo Lendle, Peter Jehle und Thomas Geiger?
Was andere ähnliche Zeitschriften angeht, haben wir zwei Faustregeln: „nichts doublen“ und „arbeitsteilige Kooperation“. Also: Wenn eine andere Zeitschrift bereits gut den jeweiligen Stand der marxistischen bzw. postmarxistischen Entwicklung darstellt wie das „Argument“, so brauchen wir das nicht zu doublen. Wir haben die Spezialitäten Interdiskurs, Kollektivsymbolik, Normalismus und Simulation (siehe unsere Homepage zeitschrift-kulturrevolution.de). Auf dieser Basis wäre die ideale Form von Kooperation die gegenseitige Information.
Jürgen Link (Jahrgang 1940) hat deutsche und romanische Sprach- und Literaturwissenschaft in Göttingen, Caen und München sturdiert. Von 1980 bis 1992 lehrte er deutsche Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Von 1992 bis 1993 hatte er eine Gastprofessur an der Universität Paris VIII inne, von 1993 bis 2005 war er als Professor für deutsche Literaturwissenschaft und Diskurstheorie an der TU Dortmund tätig.
Alle Informationen zur Zeitschriften-Tagung "Transnationale Akzente" vom 6. bis 8. Dezember im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg unter Tel. 09661/815959o oder www.literaturarchiv.de. Beim Gesprächsabend wird Jürgen Link auch Auszüge seines 2008 im assoverlag erschienen Romans "Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee",924 Seiten, 29,90 Euro, vorstellen.
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