10.09.2019 - 17:44 Uhr

Übungsstücke mit tiefsinnigen Stimmungen

Beim "Rathauskonzert in Nittenau" wurden von Boris Cepeda rasante Klavierstücke der Romantik dargeboten

Zwei Feststellungen zu Beginn: Etüden dienen in jedem Fall dazu, die Fingerfertigkeit eines Spielers zu vervollkommnen. Es gibt jede Menge davon, wobei die meisten Übungsstücke bleiben und nie in einen Konzertsaal gelangen. Anders verhält es sich bei den Etüden von Frédéric Chopin. Natürlich wird auch in ihnen das klaviertechnische Können des Spielers getestet, darüber hinaus hat es der Komponist aber geschafft, mitreißende Stimmungen in seine Übungsstücke einzufügen.

Atemberaubende Technik

Und genau dieses doppelte Können, die technische Fingerfertigkeit plus die damit erzeugte Stimmung zu vermitteln, schafft Boris Cepeda bei seinem Rathauskonzert glänzend durch seine Gestaltung der musikalischen Aussagen. In den "12 Etüden" op 10 von Chopin bringt er nicht allein atemraubende Technik sondern ebenso sehr tiefgreifende Empfindungen zu Gehör. Das beginnt schon in op 12/1 in C-Dur und op 12/2 in entsprechendem a-moll. Beide "Allegro" prägen rauschende Sechzehntel. Im ersten Stück gleiten sie durch die ganze Klaviatur, im zweiten gestalten sie chromatische Tonleitern rauf und runter. Sie unterstützen damit jeweils völlig unterschiedlich geartete, aber sehr stimmungsvolle Bassmelodien, bescheren dem Übenden also neben Festigung der virtuosen Spielkunst auch tiefsinnige melodische Erfahrungen.

Und so geht es weiter. Die schnellen Tempi überwiegen, ob in der irrwitzig raschen Nr. 4 cis-moll oder in der tänzerischen Nr. 5 Ges-Dur. In der entsprechenden Nr. 3 E-Dur und Nr. 6 es-moll gibt es unruhige Begleitung getragener Melodien. Nr. 7 C-Dur und Nr. 8 F-Dur leben jeweils von einer Bassmelodie mit äußerst raschen Begleitfiguren in der rechten Hand. Entsprechende Tonarten gibt es hier nicht. Erst Nr. 9 f-moll und Nr. 10 As-Dur, sowie Nr. 11 Es-Dur und Nr. 12 c-moll entsprechen sich in den Tonarten wieder. Dabei enthält Nr. 9 eine besonders schöne Melodie, Nr. 10 besticht durch Rasanz, Nr. 11 durch ständige Arpeggien in beiden Händen, die ein besonderes Klangbild erzeugen.

Die 12. Etüde trägt den Beinamen "Revolutionsetüde". Mitreißend schildert dieses "Übungsstück" das Empfinden eines Musikers, der in Paris lebt und weiß, dass sein Heimatland Polen 1830 von den Russen besetzt wurde. Boris Cepeda schafft es, diesen kurzen Stücken jeweils einen individuellen Charakter zu verleihen und damit seine Zuhörer zutiefst zu beeindrucken.

Musikalischer Lobpreis

Nach der Pause bilden spanische Tänze das Thema des Klaviervortrags. Zuerst erklingen drei der insgesamt 12 Sätze der "Suite espagnole" von Isaac Albéniz. Die Serenade "Granada" eröffnet mit sehnsuchtsvollen Klangfolgen die Vortragsfolge. "Asturias", eine Legende, schließt sich in vor allem schnellen Erzähltempo an. Dann folgt ein musikalischer Lobpreis der Stadt "Sevilla" mit einem eingängigen Thema, das der Pianist in die Stadt lobenden Veränderungen darstellt.

Zum krönenden Abschluss ertönt von Franz Liszt die "Rhapsodie Espagnole", eine Paraphrase spanischer Tänze wie Folia oder Jota, die der Komponist sehr intensiv darstellt. Auch hier ist die Virtuosität nicht Selbstzweck, sondern verstärkt den Gehalt der musikalischen Aussagen. Das darzustellen, gelingt Boris Cepeda mitreißend. Eine Zugabe gibt es aufgrund des großen Beifalls: "Die Vogelscheuche" von Gerardo Guevara schließt stilistisch passend einen sehr gelungenen Konzertvortrag.

 
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