Von Jürgen Umlauft und Sebastian Böhm
Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) hat für den kommenden Dienstag einen geordneten Schulstart versprochen. „Wir haben aktuell an allen Schulen eine solide Unterrichtsversorgung, der Pflichtunterricht nach der Stundentafel ist gesichert“, sagte Piazolo auf einer Pressekonferenz in München. Wegen Corona, der Integration ukrainischer Flüchtlingskinder und der sich abzeichnenden Energiekrise werde aber auch das neue Schuljahr „herausfordernd“. Eine Maskenpflicht im Unterricht sowie regelmäßige Pflichttests auf Corona werde es vorerst nicht geben. Wer krank sei, solle aber zu Hause bleiben, betonte Piazolo. Sollte sich die Pandemielage wieder verschärfen, sei man darauf vorbereitet.
Zum neuen Schuljahr stellt der Freistaat 4300 neue Lehrkräfte ein. Diese sind laut Piazolo zum einen Ersatz für ausscheidende Pensionäre, es gebe aber auch zusätzliche neue Stellen. Für die Beschulung der 30 000 ukrainischen Kinder hatte der Landtag 1620 Stellen genehmigt, zum Teil im Vorgriff auf später ohnehin geplante Einstellungen. Trotzdem musste Piazolo eingestehen, dass die Personaldecke dünn ist. Es hätten heuer weniger Lehramtsstudenten als üblich ihr zweites Staatsexamen abgelegt, zudem steige die Schülerzahl um insgesamt 45 000 (+2,8%) auf 1,68 Millionen. Allein bei den Erstklässlern beträgt das Plus 9500 (+8%). Vor allem an den Grundschulen seien deshalb selbst wenige Tage vor Schulstart noch „einige 100 Stellen“ offen, berichtete Piazolo. Er gehe aber davon aus, dass sich die Lücke noch schließen lasse.
Pflichtstunden sollen bleiben
Viele Schulen haben auf den Lehrermangel auf Empfehlung des Kultusministeriums mit Kürzungen bei Wahlfächern und Neigungsgruppen sowie bei „Randstunden“ reagiert. Piazolo nannte dies „bedarfssenkende Maßnahmen“. Sie dienten dazu, den Unterricht nach der Stundentafel abzusichern. Pflichtstunden will der Minister nicht streichen, auch die Anhebung der Klassenstärken ist für ihn kein Thema. Derartige Eingriffe hätten viel gravierendere Auswirkungen als etwa eine ausfallende Theatergruppe. Es gehe schließlich auch um die Frage der Bildungsqualität.
Zu den Herausforderungen des neuen Schuljahres gehöre die sich abzeichnende Energieknappheit, erläuterte Piazolo. Große Energiesparpotenziale an den Schulen sah er nicht. Schule sei „kritische Infrastruktur“ und müsse daher prioritär versorgt werden. Es liege deshalb in seinem Interesse, dass die Räume „angenehm warm“ seien, selbst wenn Corona weiterhin regelmäßiges Lüften erfordere. Auch die stromfressenden Luftreiniger seien für den Gesundheitsschutz weiter wichtig.
Bei der SPD zeigte man sich nicht überrascht über den Lehrermangel und die Stundenkürzungen. „Wir weisen schon seit Jahren auf Versäumnisse bei der Personalgewinnung hin, aber die Kultusminister haben die Lage immer schön gerechnet und schön geredet“, bilanzierte die SPD-Bildungspolitikerin Margit Wild. Jetzt stehe man „vor der Katastrophe“.
Die Regensburger Landtagsabgeordnete zeigt sich nach der Pressekonferenz von Michael Piazolo enttäuscht. „Ich hätte mir einen mutigeren Minister gewünscht“, erklärte sie auf Anfrage von Oberpfalz-Medien. Wild ist Mitglied des Ausschusses für Bildung und Kultus. Piazolo müsse ihrer Ansicht nach unbedingt durchsetzungsstärker gegenüber der CSU werden. Denn deren langjährigen Fehler müsse der Freie-Wähler-Politiker nun schließlich ausbaden. Was sich Wild von ihm gewünscht hätte? „A13 für alle – jetzt“, sagte sie. Ihrer Meinung nach sollten alle Lehrerinnen und Lehrer in Bayern diese höhere Gehaltsstufe erklimmen dürfen, also auch die in den Grund- und Mittelschulen. „Klar, das löst nicht alle Probleme. Aber es ist ein Zeichen der Wertschätzung und der Anerkennung.“ Sie finde es schade, dass aktuell so viele Zusatzangebote gestrichen werden müssten. „Sport, Musik, Tanzen, Theater – auch diese Felder sind wichtig.“
„Schulstart ins Ungewisse“
Matthias Fischbach (FDP) sprach von einem „Schulstart ins Ungewisse“. Piazolo agiere in dieser Lage wie ein Mangelverwalter, dem jegliche Gestaltungskraft für das bayerische Schulsystem fehle. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sprach von einer „Bankrotterklärung des Kultusministers“. Dieser betonte dagegen, man könne nicht davon ausgehen, dass in Zeiten nie dagewesener Krisen wie einer weltweiten Pandemie oder einem Krieg in Europa alles so weiterlaufen könne wie bisher: „Wenn diese Krisen da sind, bedeutet es für uns neue Herausforderungen und auch Verzicht.“ Dass nun 30 000 ukrainische Flüchtlingskinder zu betreuen seien, habe man in bisherigen Lehrerbedarfsplanungen nicht absehen können.
Tobias Gotthardt aus Burglengenfeld (Landkreis Schwandorf) sprang seinem Parteifreund Piazolo zur Seite. Gotthardt ist der aktuelle Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Kultus in Bayern. Der Landtagsabgeordnete bescheinigt sich und seiner Partei zumindest ein ausreichendes Zeugnis nach diesen Sommerferien. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, sagte Gotthardt. Er könne die fehlenden Lehrerinnen und Lehrer auch nicht herbeizaubern. Aber die Aufgabe über die Ferien war, den Kernunterricht zu sichern. Und das sei gelungen. „Fakt ist: Wir können landesweit die Unterrichtsversorgung leisten“, erklärte Gotthardt weiter.
In den Sommerferien sei nach kurz-, mittel-, und langfristigen Lösungen gesucht worden. Zu seinen mittelfristigen politischen Zielen gehöre es auch, dass viele der nun gestrichenen Zusatzangebote zum Schulhalbjahr wieder ein Comeback feiern können. Sein Vorschlag die Betretungsverbote für schwangere Lehrerinnen zu beenden und auf eine freiwillige Basis zu verlagern, sei noch in der Prüfungsphase. Es werde aktuell noch nach der optimalen Lösung für alle gesucht – auch arbeitsrechtliche Fragen müssten hier geklärt werden.
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