Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hat an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) appelliert, die Bekämpfung des Lehrermangels in Bayern zur Chefsache zu erklären. Damit verbunden sei keine Kritik am zuständigen Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler), betonte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Die Forderung sei vielmehr dem Umstand geschuldet, dass der Lehrermangel ganz oben auf die Prioritätenliste der Staatsregierung gehöre. Momentan sehe man "kein Licht am Ende des Tunnels".
Nach Berechnungen des BLLV sind aktuell allein an bayerischen Grund-, Mittel- und Förderschulen gut 2000 Stellen unbesetzt, dazu kämen krankheits- und coronabedingte Ausfälle. Die Lücken würden unter anderem durch unbezahlte Mehrarbeit, entfallenden Förderunterricht, fachfremden Einsatz von Lehrkräften, Zusammenlegung von Klassen und externe Kräfte ohne oder ohne vollständige pädagogische Ausbildung geschlossen. Der Staatsregierung warf Fleischmann vor, dem Trugschluss zu erliegen, dass es an den Schulen "doch irgendwie läuft". Die bisher getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Lehrermangels seien aber nur "scheinbare Lösungen".
Gefahr für die Gesundheit
Man könne nicht damit einverstanden sein, dass die Staatsregierung auf das "Prinzip Hoffnung", das Ausnutzen des Berufsethos der Lehrkräfte und auf "Durchwurschteln" setze. "Wir lassen uns nicht länger ausnutzen, weil das die Gesundheit der Lehrkräfte gefährdet", sagte Fleischmann. Die Erwartung an die Lehrkräfte, die vielen Herausforderungen durch zusätzlichen Einsatz zu stemmen, grenzten an "Ausbeutung". Zur Verdeutlichung verwies sie auf eine Stichprobe aus dem März 2022, als wegen Krankheit, Corona oder anderweitiger Dienstunfähigkeit 15 Prozent der Lehrkräfte an Grund-, Mittel- und Förderschulen fehlten, gleichzeitig aber offiziell nur 0,7 Prozent des Unterrichts ausfiel.
Attraktivere Arbeitsbedingungen
Als dringend erforderliche Maßnahmen nannte Fleischmann attraktivere Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte, die gleichwertige Bezahlung an allen Schularten und eine flexible Lehrerbildung, um Einsätze an allen Schularten zu ermöglichen. "Es darf keine weiteren Verzweiflungstaten zum Kaschieren des Lehrermangels mehr geben", erklärte Fleischmann. Als kurzfristige Maßnahme forderte BLLV-Vize Gerd Nitschke, das System der Überstundenbezahlung an Realschulen und Gymnasien auch auf Grund-, Mittel- und Förderschulen zu übertragen. Gegenwärtig werde an diesen Schularten Mehrarbeit kaum vergütet. "Darauf zu setzen, dass die Lehrkräfte das zum Nulltarif machen, geht nicht mehr", sagte er.
Für den Start des neuen Schuljahres im September verlangte Fleischmann ein schlüssiges Corona-Management, um Schulschließungen zu vermeiden. Dazu müssten in den kommenden Wochen klare Ansagen des Kultusministeriums kommen. Die Schulen offen zu halten, sei aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die einen verantwortungsvollen Umgang jedes Einzelnen mit der Pandemie erfordere.
Kultusminister Piazolo sprach auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des Ministerrats von "nachvollziehbaren Forderungen eines Lehrerverbandes". Er betonte allerdings, dass die Staatsregierung schon seit Jahren mit verschiedenen Maßnahmen auf den erhöhten Lehrerbedarf reagiere. In der Frage der gleichen Besoldung aller Lehrkräfte gebe es in der Regierungskoalition einen Dissens, räumte Piazolo ein. Während die Freien Wähler Grund- und Mittelschullehrkräfte bei der Besoldung höherstufen wollten, habe sich dafür in der CSU noch keine Mehrheit gefunden. Man habe aber mit der Erhöhung der Eingangsbesoldung und zusätzlichen Beförderungsstellen erste Schritte in diese Richtung unternommen.
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