Waldsassen
05.08.2019 - 16:34 Uhr

Den Himmel geöffnet

Günter Kaunzinger spielte Orgelmusik aus verschiedenen Epochen in der Stiftsbasilika

Günther Kaunzinger (Würzburg), Titularorganist, am Spieltisch vor dem Altar der Waldsassener Stiftsbasilika. Archivbild: nt/az
Günther Kaunzinger (Würzburg), Titularorganist, am Spieltisch vor dem Altar der Waldsassener Stiftsbasilika.

Von 1982 bis 1989 wurde die Waldsassener Hauptorgel durch die Firma Georg Jann, Allkofen, umgebaut und erweitert. Seit mehr als diesen 30 Jahren kennt und begleitet ihr Titularorganist Professor Günther Kaunzinger das Klangwerk der zweitgrößten Orgelanlage der Diözese Regensburg, an deren Gesamtplanung er wesentlich beteiligt war. Er ist somit bestens vertraut mit dem Instrument und von Berufs wegen ein Orgelvirtuose und obendrein als Schüler von Maurice Duruflé ein versierter Kenner französischer Orgelkompositionen mit dem Schwerpunkt Improvisation.

Ein Perfektionist

Wenn mit derartig ausgereiftem Verwachsensein der Herrscher über die Tasten auf sechs Manualen und 103 Registerwippen die Pedale, 7720 Pfeifen und 82 Glocken meisterlich zusammenführt, vermögen sie einen gigantischen Klang-Kosmos zu entfalten, der die Zuhörer im Kirchenschiff emotional in Sphären entführt, die dazu "... geeignet (sind), uns Menschen den Himmel zu öffnen", wie es die Bundeskanzlerin Angela Merkel einmal formulierte.

Mit einer instrumentalen Sinfonia leitet ein kunstfertiger Orgel-Solo-Part Johann Sebastian Bachs "Ratswahlkantate" ("Wir danken dir, Gott, wir danken dir", BWV 29) ein. Die relativ kurze Bach-Sinfonia in einer Orgelüberarbeitung Marcel Duprés spielt Kaunzinger temperamentvoll virtuos, aber nicht sprudelnd, sie rauscht vorüber. Im weiteren Programmverlauf erweist sich der Titularorganist der Waldsassener Marienorgel am Spieltisch vor den Altarstufen als Perfektionist.

Variabler Klangteppich

Er widmet sich im zweiten Programmpart der großen dreisätzigen Orgelsymphonie von Sigfrid Karg-Elert, dem Symphonischen Choral "Jesu meine Freude", op. 87,2. Die gedämpften Läufe der "Introduzione" steigern sich rasch zu einem Aufschrei, der zum "Inferno" anschwillt, einen riesigen Spannungsbogen entwickelt, bevor das Motto durch alle Manuale erklingt. Mit schneller, beweglicher Pedalbeherrschung legt er den variablen Klangteppich zu einem sieghaften Schluss. Die chromatisch geführten Unterstimmen, über denen die Oberstimmen linear schweben, vermitteln gleichsam lyrisch getragene tiefe Freude in der "Canzone". Piano beginnt die "Fuga con Coral". Ruhige Flöten hauchen Seelentiefe, werden bewegter und steigern sich dramatisch hin zu einem "Grandioso"-Schluss, nicht ohne dezent die Motivmelodie aus dem berühmt-bekannten Bach-Choral "Jesu meine Freude" aufzugreifen.

César Francks Grand Pièce Symphonique in fis-Moll, op. 17, ist in seiner abgegrenzten Vielsätzigkeit dennoch organisch und fantasievoll aufgebaut. Melodiös wird der Einleitungsteil ins Hauptthema übergeführt. Dann ein langer Pedal-Part dagegengesetzt, alternierend mit schrillen Clustern und wieder lyrisch-artige Anklänge an Liedmotive. Gelegentlich federleicht wirbelnd und grandios in feierlichen Nachhallen mit filigranem Echo, sphärisch wie aus ferner Weite aus dem Theatrum sacrum der Basilika schwebend.

Der Schlussteil vereinigt die verwendeten Themen und Motive, krönt sie in den Oberstimmen, stellt gegenüber dunkel hechelnde Zungen, wuchtig funkelndes Pedal und gerät zu tragisch drohendem, aufwühlenden Brausen mit vollgriffigen Akkorden, über den Skalenfiguren des Basses.

Als vorgegebenes Improvisationsthema hat Kaunzinger die Titelmelodie aus dem "Harry-Potter"-Film dabei. Er entwickelt eine groß angelegte spontane Toccata durch alle Register bis hin zum Tutti. Die Füße eilen, die Finger schwirren und erzeugen ein Klanggewitter, das einen Ton-Orkan aufbrausen lässt, wie ein Vulkan eruptiert und sachte wieder abkühlt, um das Thema noch einmal anklingen zu lassen. Alles in allem: ein vollendetes Kunstwerk eines Könners.

In der Zugabe von Karg-Elert klingelt auch der Zimbelstern als Gipfel der immensen Vielfaltsgestaltung der Waldsassener Marienorgel. Das einleitend angekündigte Thema "Sinfonie" als Leitfaden wurde von einem großen Meister des Orgelwerks in diesem Konzert als wahrer Zusammenklang verwirklicht. Dramaturgische Steigerung bewirkte der Organist nicht zuletzt durch eine Ad-hoc-Umstellung in der Reihenfolge des Programmverlaufs.

 
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