Einer muss der Vernünftige sein, heißt es altklug bei Konflikten. Bei Scheidungen bleibt die Vernunft aber auf der Strecke. Es geht darum, die Oberhand zu behalten. Auch am Verhandlungstisch zum EU-Austritt Großbritanniens heißt das magische Wort daher nicht Vernunft, sondern Kontrolle.
Theresa May wird vor diesem Wort, der frühen Maxime der Brexit-Befürworter, hergetrieben. Es geht um das politische Schicksal der Premierministerin und ihrer Partei. May hat auf jeder politischen Ebene im eigenen Land so viele Klippen zu umschiffen, dass Handlungsspielräume eher klein sind.
Und noch kleiner werden: Durch die Kernfrage, einer inner-irischen Grenze, die keine harte werden soll, binden sich die Partner unvermeidbar wieder aneinander. Bleiben die Briten zwangsweise in der Zollunion, sind sie im paradoxen Zustand, Regeln akzeptieren zu müssen, die sie nicht mitbestimmen könnten. Kontrolle? Fehlanzeige. Auch würde im aufgeheizten London jeder andere Kompromiss Hardliner wie Brexit-Gegner gleichermaßen verstimmen. Wie ein ungeregelter Ausstieg ist zudem ein "Exit vom Brexit" wohl keine Option. Zu zerrüttet ist die historisch schwierige Ehe zwischen den Inseln und dem Kontinent.
Da May ohne große Rückendeckung aber nicht frei und damit allzu kooperativ verhandeln kann, muss die EU-Kommission im eigenen Interesse die vernünftige Partei sein und den Briten den Ausstieg erleichtern. Dann bleibt genug Zeit, in einem Freihandelsabkommen eine saubere Trennung hinzubekommen. Eine, nach der sich beide noch in die Augen schauen können - weil sie in vielen Bereichen trotzdem Partner bleiben und es daher müssen.
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