Eine Redaktion darf personenbezogene Daten nicht an Dritte weitergeben. Dazu ein Fall aus der Spruchpraxis des Presserats:
- Der Fall
Eine Lokalzeitung berichtet über die Schließung des einzigen Lebensmittelladens am Ort. Dazu schreibt eine Frau einen Leserbrief, in dem sie die Schließung bedauert. Sie behauptet auch, dass eine Mieterhöhung durch den Besitzer des betreffenden Gebäudes das Geschäft veranlasst habe, das Mietverhältnis zu kündigen und den Ort zu verlassen. Kurz darauf lässt die Zeitung den Vermieter in einem Leserbrief zu Wort kommen. Er teilt mit, dass die Ursache für die Kündigung keine Mieterhöhung gewesen sei. Die Leserbriefschreiberin hätte sich besser bei ihm über die wahren Gründe erkundigt, bevor sie Unwahrheiten in Umlauf brachte. Er bekommt von der Redaktion die Telefonnummer der Frau, ruft sie an und beschimpft sie.
Die Leserin beschwert sich beim Presserat und kritisiert, dass die Redaktion ihre Telefonnummer an den Vermieter weitergegeben habe. Sie meint auch, dass der Leserbrief des Vermieters nicht habe abgedruckt werden dürfen, weil sie darin diffamiert werde.
- Das sagt die Redaktion
Der Redaktionsleiter beschreibt den Gang der Ereignisse. Die Zeitung habe über eine schon seit Jahren geführte Diskussion über die Wiederbelebung einer Industriebrache in der Kleinstadt berichtet. Dabei habe sie auch den Verlauf einer öffentlichen Gemeinderatssitzung geschildert. Darin sei vom beabsichtigten Wegzug des Geschäftes einer Lebensmittelkette aus der Innenstadt die Rede gewesen.
Der Vermieter habe in der Sitzung mitgeteilt, dass die Ladenkette gekündigt habe. Das Geschäft könne dort auf Dauer nicht mehr existieren. Der Laden sei zu klein, das Parkplatzangebot zu knapp. Auch hierüber habe die Zeitung berichtet. Zu diesem Thema habe die Beschwerdeführerin einen Leserbrief geschrieben. Der Briefkopf habe ihren Vor- und Nachnamen, Adresse, Wohnort und Telefonnummer enthalten. Sie habe geschrieben, dass der Laden wegen einer "irrsinnigen Mieterhöhung" aufgegeben werde. Der Redaktionsleiter habe mit der Frau gesprochen und sie gefragt, ob ihre Behauptung zutreffe. Sie habe dies bestätigt und gesagt, sie habe ausführlich recherchiert. Nach der Veröffentlichung habe sich der Vermieter bei der Redaktion gemeldet und sich sehr verärgert gezeigt. Er habe die Miete für das Geschäftsgebäude seit Jahren nicht mehr erhöht und wolle nun mit der Einsenderin des Leserbriefs selbst reden. Er kenne jedoch nicht deren Rufnummer. Der Redaktionsleiter gab sie heraus in der Annahme, dass Vermieter und Leserbriefschreiberin sich austauschen würden.
- Das sagt der Presserat
Der Beschwerdeausschuss erkennt eine Verletzung der Ziffer 2, Richtlinie 2.6 (Leserbriefe) und 8 (Persönlichkeitsrechte) des Pressekodex und spricht eine Missbilligung aus. Die von der Redaktion herausgegebene Telefonnummer stammt aus dem Leserbrief. Laut Pressekodex unterliegen Leserbriefe dem Redaktionsgeheimnis. Sie dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden. Das gilt auch für die enthaltenen personenbezogenen Daten. Jeder hat das Recht, selbst über die Preisgabe seiner Daten zu bestimmen. Die Leserbriefschreiberin konnte daher davon ausgehen, dass ihre Daten von der Redaktion geschützt werden. Die Daten ohne ihre Einwilligung einem Dritten zukommen zu lassen, verstößt gegen den Datenschutz.












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