Auf dem Konferenztisch der Oberpfalz-Medien liegt ein bunter Strauß von Prospekten, Fahrrad- und Wanderkarten aufgefächert. "Nur ein kleiner Ausschnitt unserer Arbeit", erklärt Michael Braun. Der Tourismusstratege dreht an vielen Stellschrauben, um nicht nur Übernachtungszahlen aufzupolieren, die nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden: "Wie viele Geschäftsreisende darunter sind, können wir nicht sagen", sagt Braun. Es würden auch nur Angaben von Hotels ab zehn Betten angefordert: "Allein im Oberpfälzer Wald werden so geschätzt 300 000 Übernachtungen in kleineren Gasthäusern und Pensionen nicht berücksichtigt."
Highlight Birkenhof
Für Braun müssen es nicht jedes Jahr mehr Gäste sein. "Die Strategie, nur noch qualitative Erweiterungen zu fördern, geht auf." Ein Beispiel dafür im Landkreis Schwandorf: "Ein Highlight ist der Birkenhof, wo ständig weiter investiert wird." Ein Kennzeichen des Erfolgs: "Die Auslastung liegt wie zu Höchstzeiten nach dem Wiedervereinigungshype 1993 wieder bei 40 Prozent." Nach der ersten "Go-West"-Euphorie der Ossis, rauschten die Zahlen auf 27 Prozent in den Keller: "Die Hoteliers meinten, das geht immer so weiter, ohne zu investieren." Erst vor etwa 15 Jahren die Kehrtwende: "Wer sich nicht an die veränderten Bedürfnisse der Gäste anpasst, muss aufgeben, die besseren wachsen."
Vor allem hätten die Tourismusakteure erkannt, dass man als Einzelkämpfer nicht mehr durchdringt: "Ein gemeinsames Marketing der drei Landkreise im Oberpfälzer Wald mit gemeinsamem Budget ist das schlagkräftigste Modell", sagt Braun, "eine gemeinsame Produktentwicklung und auf Betriebsebene eine neue Qualität."
Keine Busse, keine Kuren
Das sei auch vor dem Hintergrund eines radikal veränderten Reiseverhaltens dringend nötig: Vorbei die Zeiten, als große Ruhrpott-Unternehmen ihre Arbeiter busweise zur Erholung nach Tännesberg karrten. Und: "Die Kur in Deutschland ist praktisch tot", erzählt der TVO-Boss, "früher hatten wir im Jahr 200 000 Kuren, heute nur noch 10 000." Stattdessen boomen Wellness-Tempel, die anspruchsvolle Kriterien erfüllten: "Im Bayerischen Wald bieten Hotels Waldbaden an", sagt er schmunzelnd. "Der Aufstieg Neualbenreuths ist in diesem Kontext ein riesiger Imagegewinn", lobt Braun, "schließlich ist der Gesundheitstourismus ein Megatrend."
Überhaupt könne sich die nördliche Oberpfalz mit Selbstbewusstsein als Erholungsregion präsentieren: "Hier gibt's noch Wanderwege, wo nicht einer hinterm anderen herrennt", nennt Braun eine Stärke.
Die Oberpfalz in Asien
Und da sind wir wieder beim Job des TVO-Managers, die Vielfalt touristischer Angebote zu bündeln und nach außen darzustellen: "Der Goldsteig als Premiumwanderweg im Bayerischen Wald, die großen Wasserwelten im Landkreis Schwandorf, das Bayerische Jura rund um Neumarkt, der Fünf-Flüsse-Radweg, der Bockl- und Zoiglradweg für Genussradler rund um Weiden." Mit den "Radlerwelten" will der Oberpfälzer Wald seine Fahrradstrategie bündeln und mit einer standardisierten Ausschilderung auf ein neues Niveau hieven.
Seit 70 Jahren wirbt der Tourismusverband Ostbayern um Gäste: Inzwischen auch international: "Zusammen mit Kollegen in Franken haben wir das Angebot der Deutschen Tourismus Zentrale genutzt, uns bei Reisejournalisten in Peking, Hongkong, Shanghai und Seoul zu präsentieren." Vor allem Regensburg und der Donaudurchbruch kämen in Asien gut an. "Aber auch der Chinesen-Brunnen in Dietfurt."
Online-Buchung am Land
Die Digitalisierung revolutionierte den Tourismus früher als viele andere Branchen. Reisen und Hotels werden längst online gebucht, der TVO hilft mit seinem Online-Buchungssystem OBS 3500 Gastbetrieben, davon zu profitieren: Kleine Hotels und Pensionen können so online auf allen großen Buchungsportalen gebucht werden: "Viele sagen uns, ohne euch hätten wir längst aufgegeben." Von 15 Prozent Betriebsprovision behält der Verband in der Regel nur 3 Prozent für sich: "Das ist schon sehr eng", gibt Braun zu, "wir müssen davon 25 Leute finanzieren, die den Gastgebern alles abnehmen und sich zum Teil auch noch um bessere Fotos und Inhalte kümmern."
Aber schließlich gehe es dem TVO nicht um Gewinnorientierung: "Wir dienen dem Tourismus vor Ort." Und Braun geht immer tiefer ins Detail: "Ab 2020 nehmen wir die Online-Buchbarkeit von Erlebnisanbietern wie Kanuverleihern oder Kräuterwanderungen in Angriff." Eine Sisyphusarbeit, denn: "Das sind in der Regel Zwei-Mann-Betriebe, die schon telefonisch schwer zu erreichen sind, und die Buchung in ihren Kalender kritzeln." Genau das aber macht den Unterschied aus: "Junge mobile Reisende bleiben dann eher an der Naab, anstatt ihr Boot an der Donau oder Pegnitz übers Handy zu buchen."
Tourismus im Wandel
Der Trend zum sanften Erlebnistourismus, Phänomene wie Flugscham oder Kreuzfahrtschiff-Kritik verändern das Reiseverhalten der Deutschen. Eine Chance auch für die Urlaubsregion Oberpfälzer Wald? „Der Deutschland-Tourismus wächst seit zehn Jahren“, sagt TVO-Chef Michael Braun, der als Vorsitzender des Verbands der deutschen Mittelgebirge mit seinen 35 Mitgliedern auch dort die Region promotet. „Wir sehen uns nicht als Konkurrenz, denn die Quellmärkte sind in erster Linie die umliegenden urbanen Zentren.“ 40 Prozent der Gäste im Oberpfälzer Wald kommen aus Bayern. Dennoch sei der Tourismus ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: „4,8 Milliarden Euro sind in Ostbayern hängengeblieben, 500 Millionen mehr als noch vor fünf Jahren.“ Man müsse sich aber auch im Klaren sein, dass man nicht erste Adresse für den Jahresurlaub sei: „Wir sind zweit- und dritt Urlaubsregion.“ Rund 75 Prozent der Deutschen planen einmal im Jahr ihren Langzeiturlaub, bevorzugt nach Spanien, Griechenland oder in die Türkei. „55 Prozent leisten sich zusätzlich Kurzurlaube, Tendenz steigend.“ Diese eigentliche Zielgruppe werde nicht größer, aber immer aktiver: „Bei ihnen müssen wir uns empfehlen.“
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