Auf der Bühne das Kuss-Quartett aus Berlin, gegründet 1991. Was diese vier am Freitagabend präsentieren, bestätigt ihren Rang in der ersten Riege internationaler Quartette. Ihr außerordentlich homogener und klarer Sound wird getragen von Mikayel Hakhnazaryans Celloklang, der ist fit und in Form, mit Muskeln, ohne Fettansatz. Noblen Bratschenschimmer entfaltet William Coleman, darüber die beiden schwerelos schwebenden, vom Piano bis zum Forte mild und weich intonierenden Violinen, bedient von Primaria Jana Kuss und Oliver Wille. Ihre Klangfarbenpalette scheint unerschöpflich, vom rotglühenden Espressivo bei Reger bis zum köstlich-kühl raunenden Sul-Ponticello-Klang und den mehrfachen Piani bei Beethoven. Mit geradezu seismografischem Feingefühl spüren sie subtilsten Ausdrucksschattierungen nach.
Regers feine Fuge
Am Anfang steht Max Regers Quartett Es-Dur op. 109 von 1908 mit einer „feinen Fuge als letztem Satz“ (Reger), 29 Minuten Spieldauer hatte er „metronomisch ausgerechnet“, das Kuss-Quartett liegt mit 31 bestens im Rennen. Sofort fasziniert ihre „Kunst des Vermittelns“: Derart strukturiert, durchleuchtet und seelenvoll musiziert wirkt Regers Musik einleuchtend, spannend und berührend. Wieder einmal ein hinreißend spritziges Scherzo voll Ironie und skurril-koboldhaft herumgeisternder Motive. Nach dem aufwühlenden Larghetto kommt die Fuge volksliedhaft-leger daher, wie von Reger erwartet, musizieren die vier den Satz mit fein prickelnder Eleganz, nie oberlehrerhaft dozierend, ohne jede bleigewichtige Mühe, für den Schluss bleibt noch jede Menge Kraftreserve.
Visionär Beethoven
Optimal knüpft die Anfangs-Fuge in Beethovens Quartett cis-Moll op. 131 (ein Schlüsselwerk für Reger) an. Wie mit einer Verneigung vor der „Kunst der Fuge“ von Altmeister Bach beginnt das Thema. Harmonik, Klangfarben und das „molto espressivo“ kleiden es freilich in das Klang-Gewand von 1826. Ganz schön „wild“ ist die formale Anlage mit sieben Sätzen, die nahtlos ineinander münden und durch rote Fäden gemeinsamer Motive vernetzt sind. Dem Kuss-Quartett glückt eine atemberaubend intensive Interpretation, wie man sie wohl nur selten erleben darf. Es gestaltet jeden Ton bewusst, Artikulations- und Farbraum sind schier grenzenlos ausgeweitet; Die Musiker hören aufeinander wie die Luchse, so resultiert ein Klangbild mit hellsichtiger und erhellender Transparenz. Geradezu lustvoll offenbaren die vier Beethovens Genialität! Beglückter Jubel, als Zugabe (auswendig) der Schlusssatz aus dessen opus 135.
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