Allein der konzentrierte, kompakte, kompetente Vortrag der Chefin des Max-Reger-Instituts war den Besuch wert: Max Reger - Vorbilder und Nachklänge lautet das Motto 2019, das Susanne Popp exemplarisch am Programm des Abends erläuterte. Es hat das Potenzial, Reger, den "letzten Riesen in der Musik" (Hindemith), seine Wurzeln wie Langzeitwirkungen besser zu erkennen und zu verstehen.
Auftakt mit nur vier Saiten, einer Violine, einem Bogen: Quantitativ gemessen geben sich die Reger-Tage 2019 erst einmal als Aschenputtel, da klebt nachher kein Zuhörer "wie ein Relief an der Wand" (Reger). "B-A-C-H", für Max "Anfang und Ende aller Musik", die Sonate a-Moll BWV 1003 von 1720. In dieser Zeit verlor Bach seine erste Frau Maria Barbara. Das Grave ist vom Affekt Trauer geprägt. Tanja Becker-Bender (Professorin an der Musikhochschule Hamburg) musiziert es zerbrechlich, hebt die Seufzer-Figuren (Suspirationes) hervor, stellt zweifelnde Frage-Gesten in den Raum. Licht und glasklar die latente Polyphonie in der schon von Mattheson gerühmten Fuge. Berührend die Melodie in der Aria, ungemein feinsinnig ausdifferenziert die weich pulsierende Begleitung, da kommen alle Künste des "Bogenvibrato" zum Zuge. Elegant, mit feinem Strich und Pinsel das jubelnde Allegro. Erst Max Reger wird nach über 170 Jahren diese Gattung der Solo-Stücke aufgreifen und weiter entwickeln - sieht man einmal von den Etüden und Capricen der Virtuosen wie Paganini ab.
Zartbesaiteter Max
In seiner Solo-Sonate D-Dur op. 91/2 beleuchtet die Geigerin die introvertierten, feinsinnigen, sensiblen Charakterzüge Regers: Beschränkt auf nur ein einziges Instrument erscheint er uns wie entschlackt, auf den Punkt getroffen, sein Humor feinsinnig, nicht derb. Zum faszinierenden Highlight gerät das Larghetto: Ganz innig, ganz privatim, aus einer anderen Welt herüber schimmernd. Violinfarben, die an den Klangreichtum der Orgel anknüpfen. Bei den blitzsauberen Doppelgriffen wecken die Kombinationstöne eine virtuelle Dreistimmigkeit. Die vertrackten Passagen ohne jegliche Mühe - Frau Becker-Bender spielt auf und mit der Violine, nie kämpft sie mit dem Instrument.
In Paul Hindemiths Solosonate op. 31/2 von 1924 beschwört schon der Titel "so schönes Wetter draußen", heitere Sommerstimmung mit Vogelgezwitscher, "Komm lieber Mai" mit Variationen. Zu leicht kann diese Musik abgleiten ins Nüchtern-Trocken-Lederne. Nicht so in der überaus sensitiven (Pizzicato-Schattierungen!) und inspirierten Interpretation am Samstag!
Starke Schalksstreiche
Philipp Jarnach (1892-1982) hat seine 2. Solosonate (1913) dezidiert "Herrn Max Reger verehrungsvollst gewidmet". Gleich der erste Satztitel hätte Reger begeistert: "Mit starkem Humor", da sind Gleichgesinnte unter sich, bei diesen clownesken Eulenspiegeleien, dem aufkochenden Übermut, dem genüßlich parodierten Pathos. Plötzlich tiefernst das Largo, es greift Bachs Vorbild auf, sekt-spritzig die abschließende Gigue. Hingerissen das Publikum, das mit der 24. Caprice von Paganini belohnt wird, auch sie technisch auf einsamem Niveau, musiziert mit entwaffnender Leichtigkeit und Eleganz.
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