Seit gut einem Jahr im Amt, seit einem halben Jahr in Koalition mit den Freien Wählern: Höchste Zeit für ein Redaktionsgespräch mit Ministerpräsident Markus Söder.
ONETZ: Das Thema Stromtrassen bewegt die Region. Wie stehen Sie zu den Forderungen, diese entlang der Autobahnen zu platzieren?
Markus Söder: Wir wollen die Stromversorgung so bürgerfreundlich wie möglich machen. Daher wird es eine Machbarkeitsstudie der Bundesnetzagentur geben, um die Stromtrassen an den Autobahnen zu planen. Das hat auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bestätigt. Wir werden das mit Nachdruck verfolgen.
ONETZ: Die Zeit drängt, gibt es einen Zeithorizont?
So schnell wie möglich. Man muss nämlich feststellen: Die Energiewende ist nicht auf dem richtigen Weg. Es droht eine Deindustrialisierung des Südens Deutschlands. Ich bin hier mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg auf einer Linie. Wir haben dazu die Südschiene wieder neu belebt. Wir brauchen jetzt eine klare Alternative, wie wir auch den Süden mit bezahlbarem Strom versorgen können. Das geht nicht allein mit Strom aus dem Norden. Wir haben in Bayern Gaskraftwerke, die still liegen, obwohl sie höchste Wirkungsgrade besitzen. Wir brauchen die Reaktivierung von Gas. Dadurch erhalten wir preiswerten Strom und sind unabhängiger vom Norden.
ONETZ: Wird es bei der Windenergie einen Schwenk geben, steht die 10H-Regelung?
Ja. Es macht aber auch Sinn, über Innovationen zu reden. Wir haben immer noch die gleichen Wind- und Solaranlagen wie vor 10 oder 20 Jahren.
ONETZ: Apropos Innovation. Wie sieht es mit der Elektromobilität aus?
Mobilität gehört gerade in den strukturschwachen Räumen zu den elementaren Fragen. Wir brauchen einen Innovationsschub in der Automobilität, um die Technologieführerschaft zu erhalten. Dazu braucht es zum einen eine neue Generation von Batterien in der Elektromobilität. Deswegen bewerben wir uns mit Augsburg und Bayreuth für ein nationales Kompetenzzentrum für eine neue Generation von Elektrobatterien. Zweitens wollen wir synthetischen Kraftstoffen zu einer ganz neuen Entwicklung verhelfen. Wir geben in Straubing 40 Millionen Euro aus für eine Fraunhofer-Entwicklung, um einen bayerischen Biosprit zu schaffen.
ONETZ: Sie haben die Südschiene angesprochen. Haben Sie Sympathie für den Grünen Kretschmann?
Uns hat der Digitalisierungspakt und die Stärkung des Föderalismus zusammengeschweißt. Auch beim Thema Enteignungen von Wohnungen hat mir gefallen, dass er sich gegen seinen Parteikollegen Robert Habeck ausgesprochen hat. Da gibt es schon ein gutes Miteinander im Süden.
ONETZ: Zu den bayerischen Grünen sieht das Verhältnis ja anders aus. Die Sondierungen waren schnell gescheitert.
Ich habe erst einmal versucht, mit allen demokratischen Kräften zu reden. Die SPD war tagelang nicht erreichbar. Bei den Grünen hat sich sehr schnell herausgestellt, dass es tiefgreifende unterschiedliche Ansichten gab.
ONETZ: Und die Freien Wähler waren der einfachste Partner?
Es gibt ein hohes Maß an Übereinstimmung. Zum Beispiel die Förderung des ländlichen Raumes. Grüne sind ausschließlich München-zentriert. Mit den Freien Wählern haben wir einen konstruktiven und verlässlichen Partner, mit dem wir unabhängig von Berlins Parteizentralen Bayern entwickeln können.
ONETZ: Aber Sie kopieren schon sehr stark das Grünen-Programm ..
Die Welt dreht sich weiter. Die Menschen bewegen globale Megatrends: Die tiefgreifenden Veränderungen der Wirtschaft durch die Digitalisierung und der Klima- und Artenschutz, der unsere Landwirtschaft verändert. Hier braucht es eine grundlegende Kursbestimmung für mehr Ökologie und einen neuen Gesellschaftsvertrag zum Erhalt unserer Heimat. Dabei geht es nicht nur um politisches Management, sondern auch um einen moralischen Anspruch.
ONETZ: Und die Ideen des Volksbegehrens haben Sie jetzt im Kabinett übernommen.
Ja. Wir bleiben dabei aber nicht stehen. Das Volksbegehren ist nur ein kleines Fenster zum Thema Artenschutz. Wir wollen die große Lösung. Dabei geht es auch um gerechten Ausgleich für unsere Landwirtschaft. Mein Motto lautet: Rettet die Bienen und die Bauern. Der Runde Tisch wird eine Reihe von Vorschlägen dazu erarbeiten. Bis zum Sommer steht dann das Gesetz. Wir werden damit das ökologischste und bauernfreundlichste Land in Deutschland sein.
ONETZ: Bei Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte man das Gefühl, dass es ihm bei dem neuen Gesetz den Magen umdreht.
Nein. Wir haben offen darüber geredet. Wir beide wollten eine Versöhnung des Volksbegehrens mit der Landwirtschaft. Das hat Hubert Aiwanger genauso gesehen.
ONETZ: Aber aus der Bauernschaft gab es auch viele kritischen Stimmen. Zum Beispiel vom scheidenden Europaabgeordneten Albert Deß, der ein Höfesterben prophezeit hat.
Wir versuchen jeden mitzunehmen. Die junge Generation fordert Wachstum mit Sinn. Diese Wertedebatte muss man ernsthaft führen.
ONETZ: Also unterstützen Sie die "Fridays- For-Future"-Bewegung?
Ich glaube, dass man Demonstrationen auch am Freitagnachmittag durchführen kann.
ONETZ: Wie werden Sie die Forderungen der Jugendlichen aufgreifen?
Das überlege ich mir über Ostern. Klima verbessern und unsere Lebensweise erhalten, das wird das spannende Thema. Bei den Schülern ist viel Ideenreichtum und Wissen da. Dieses Potenzial gilt es zu respektieren.
ONETZ: Waren ihre Kinder auch bei den Demonstrationen?
Nein, die haben gelernt.
ONETZ: Wäre ein Wahlrecht mit 16 Jahren nicht der richtige Weg, um die Jugend besser einzubinden?
Das wäre vielleicht ein einfacher Weg, aber ohne Wirkung. Viel spannender ist es, junge Leute am Gesetzgebungsweg zu beteiligen im Sinne von Gesprächen wie jetzt beim Klimaschutz. Und die politische Bildung an den Schulen generell auszubauen, indem man mehr Jugendparlamente gründet.
ONETZ: Im Landtag gibt es große Turbulenzen bei der AfD. Fraktionschef Markus Plenk möchte die Partei verlassen, liebäugelt mit der CSU. Werden Sie ihn mit offenen Armen empfangen?
Ich habe den Kurs der CSU zur AfD im letzten Jahr neu positioniert. Es war lange Zeit eher ein Schweigen zu dem Thema. Die AfD hat sich indes verändert. Der rechtsextreme Höcke-Flügel wird immer stärker. Da habe ich klare Kante dagegen gezeigt. Seitdem ist der Aufstieg der AfD in Bayern zumindest gestoppt. Im Übrigen ist die AfD tief zerstritten. Das zeigen die Austritte der letzten Wochen.
ONETZ: Die AfD ist ja kein bayerisches Phänomen, die Rechtspopulisten sind in ganz Europa auf dem Vormarsch. Ihr Rezept dagegen?
Klare Strategie: Erstens eine klare Benennung der verfassungsfeindlichen Tendenzen von großen Teilen der AfD. Zweitens, die offenkundig rechtswidrigen finanziellen Verflechtungen durch die Bundestagsverwaltung prüfen. Und drittens, die gemeinsame Linie von CDU und CSU in der Migrationspolitik. Wir haben im konservativen Lager wieder besser Fuß gefasst. Annegret Kramp-Karrenbauer und ich habe eine gemeinsame Strategie entwickelt.
ONETZ: Glauben Sie, dass die Europawahl am 26. Mai als Protestwahl gar nicht so dramatisch wird?
Ich bin optimistisch. Wir haben mit Manfred Weber einen Spitzenkandidaten, der Chef von Europa werden kann, und mit Christian Doleschal einen starken Oberpfälzer weit vorne auf der Liste. Andere bayerische Parteien stellen nur Hinterbänkler. Wer ein starkes Bayern in Europa will, kann eigentlich nur CSU wählen.
ONETZ: Der Oberste Rechnungshof wirft Ihnen vor, zu viel Geld auszugeben und dabei trotzdem den Ausbau von Straßen zu vernachlässigen. Treffen Sie die Vorwürfe?
Nein. Fakt ist: Der Freistaat Bayern ist eines der wenigen Bundesländer, das keine neuen Schulden macht, jedes Jahr Schulden tilgt und stabile Rücklagen hat. Wir Bayern haben aber auch ein soziales Herz. Die Investition für pflegebedürftige Menschen oder Kinder ist genauso wichtig wie der Bau von Straßen.
ONETZ: Und wie sieht es mit dem Raumfahrtprogramm "Bavaria One" aus? Die Opposition spottet, dass aus den großen Ankündigungen nichts zu werden scheint ...
Letztes Jahr haben die Grünen geschimpft, dass es zu viel Geld wäre, jetzt ist es zu wenig. Ich kann es wirklich nicht jedem Recht machen. Wir investieren 700 Millionen Euro in 10 Jahren. Jetzt sind es erstmal 30 Millionen Euro, vor allem für den Aufbau eines Galileo Kompetenzzentrums. Was die neue Fakultät für Luft- und Raumfahrt angeht: Wenn man mit so einer riesigen Idee startet, dann fängt man erstmal mit einem Grundstock an Personal an. Da sind rund 40 Stellen ein sehr guter Betrag. So bekommen wir Spitzenleute.
ONETZ: Was ist denn das Ziel des Projekts?
Es geht nicht darum, jemanden zum Mond zu schicken. Auch wenn ich da durchaus einige Passagiere vorschlagen könnte (lacht). Es geht um Big Data aus dem All. Die Erfassung von Wasserläufen, landwirtschaftlichen Prozessen und Klimaveränderungen auf der Oberfläche stehen im Mittelpunkt. Mit Supercomputing und Künstlicher Intelligenz ergeben sich dann viele praktische Beispiele im Alltagsleben der Menschen. Die Welt ist weiter als wir denken.
ONETZ: Zu einem ebenso wichtigen Thema für Sie als Franke: Steigt der 1. FC Nürnberg ab?
Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Es wäre schade, wenn der Club absteigt. Es sind jetzt noch sechs Spiele, da ist alles drin. Aber der Club-Fan denkt halt so: Dann wird nächstes Jahr wieder aufgestiegen. Das ändert nichts an der Liebe zu diesem Verein.
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