Weiden in der Oberpfalz
28.09.2019 - 08:00 Uhr

Millionenklage gegen ehemaligen ATU-Chef

Kunden gingen auch deshalb gern zu ATU, weil der Filialleiter ihnen großzügig Mitarbeiterrabatt gewähren konnte. Das fällt jetzt einem damaligen Geschäftsführer auf die Füße.

Eine Werkstatt von ATU. Über Jahrzehnte wurde Kunden der Mitarbeiterrabatt gewährt. Das ist erlaubt: Solange Freigrenzen eingehalten werden und alles dokumentiert wird. Daran hakt es jetzt. Bild: Gerhard Götz
Eine Werkstatt von ATU. Über Jahrzehnte wurde Kunden der Mitarbeiterrabatt gewährt. Das ist erlaubt: Solange Freigrenzen eingehalten werden und alles dokumentiert wird. Daran hakt es jetzt.

Ex-ATU-Chef Manfred Ries sieht sich mit einer Millionenklage konfrontiert. ATU will 5,7 Millionen Euro von ihm. Zu Ries' Zeiten - 2005 bis 2013 - wurden großzügig Mitarbeiterrabatte gewährt, nur wären diese zu versteuern gewesen.

Einen Teil der saftigen Rückzahlung an die Rentenversicherung will ATU jetzt von Ries zurück. Die Klage wurde am Mittwoch vor der Zivilkammer am Landgericht Amberg verhandelt, weil Ries seinen Wohnsitz in dessen Einzugsbereich hat. Eine Armada an Juristen und Steuerberatern lief auf. ATU ließ sich von Chefjustiziar Dr. Frank-Bernhard Weigand vertreten, plus drei Vertretern der internationalen Großkanzlei DLA Piper. Der ehemalige Geschäftsführer Ries kam selbst, flankiert von Anwalt Christian Terno. Neben ihm nahmen die Anwälte der Versicherung Platz, mit der CEOs versichert sind.

Versicherung sperrt sich

Diese machten aber von Anfang klar, dass man bei Vorsatz nicht einspringe. Ries müsste auf jeden Fall einen Eigenanteil leisten. Dieser sollte schon "siebenstellig" sein, forderte Anwalt Björn Fiedler: "Ich kenne seine finanziellen Verhältnisse nicht. Aber wenn er nur 500 000 Euro hinlegen kann, dann wird es schwierig."

Das Gericht ließ in der Güteverhandlung seine Einstellung durchblicken. "Es wird schwierig für Sie, Herr Ries, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen", sagte Vorsitzender Richter Markus Fillinger. Schon 2005 hatte die Rentenversicherung erstmals Rabatte der Töchtergesellschaften kritisiert. Es seien Freigrenzen einzuhalten und das Ganze müsse dokumentiert werden. Richter Fillinger: "Kann sich ein leitender Angestellter dann zurücklehnen?" Bei ATU wurden die Mitarbeiterrabatte munter weiter gegeben, gern auch an Angehörige, Nachbarn und Freunde. "Es war jetzt in Weiden kein großes Geheimnis, dass man einen Mitarbeiter gar nicht mal so gut kennen musste, um einen Mitarbeiterrabatt zu bekommen."

Das bestätigte Ries. Die Gewährung von Mitarbeiterrabatten sei ein "Marketinginstrument" gewesen. "Die Filialleiter sagten zum Kunden: Da kriegst du meinen Personalrabatt. Das kam gut an." Die Rabatte kamen beim Endkunden an, nicht beim Mitarbeiter. Warum also Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abführen? ATU habe dies von 1980 bis 2007 so gemacht. "Das ist nie bemängelt worden. Das wurde 25 Jahre vom Finanzamt akzeptiert", sagte Ries.

Dann aber nicht mehr. Nach einer Außenprüfung 2009 wies das Finanzamt Weiden auf die Steuer- und Beitragspflicht der Mitarbeiterrabatte hin und die nötige Dokumentation. "Die sagten: Aufzeichnen. Das haben wir dann gemacht", sagt Ries - nur findet sich bei ATU dazu angeblich nichts. Mit dem Finanzamt Weiden handelte er damals einen Deal aus. Nachgezahlt wurden 625 000 Euro. Laut Ries habe es in der Folge eine Betriebsvereinbarung gegeben: Der maximale Rabatt wurde auf jährlich 1080 Euro pro Mitarbeiter gedeckelt.

Schnelle Chef-Wechsel

Als Ries das Unternehmen 2013 verlassen hatte, kam die dicke Keule. Die Deutsche Rentenversicherung prüfte ebenfalls und wollte 8 Millionen Euro. Die Nachfolger von Ries handelten die DRV auf 5,6 Millionen Euro herunter. Ein schlechter Vergleich, wie Versicherungsanwalt Fiedler meint. ATU-Anwältin Dr. Friedericke Landauer verteidigt die Verhandlungspartner: "Die Nachfolger von Herrn Ries hatten nur rudimentäre Informationen." Fragen kann man die Herrschaften nicht mehr. "Die Nachfolger von Herrn Ries sind inzwischen auch schon wieder alle ausgetauscht."

Zu einer Einigung kam es am Mittwoch nicht. Ries lehnte eine Eigenbeteiligung ab. "Ich sehe dafür keine Veranlassung. Ich habe immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt." Die Verhandlungen gehen hinter den Kulissen weiter. Das Landgericht setzte als Frist für einen Vergleich den 15. November. Kommt es dazu nicht, wird weiter verhandelt. Der Richter an die Adresse von Ries: "Im Worstcase bleibt bei Ihnen nach jahrelanger Verfahrensdauer eine Summe von 5 Millionen Euro hängen und hintendran 2 Millionen Zinsen."

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.