Weiden in der Oberpfalz
20.09.2019 - 14:00 Uhr

Reise durch Seelen-Landschaften

Der herausragende Oberpfälzer Organist, Komponist und Improvisator Martin Sturm (28) aus Velburg gewann 2018 den 1. Preis beim Orgelwettbewerb der Internationalen Orgelwoche Nürnberg. Er spielt am Sonntag, 22. 9. um 16 Uhr 30 in St. Josef.

Der in Velburg gebürtige Organist (hier bei einem Konzert in der Schulkirche Amberg) beschließt den Orgeltag der Max-Reger-Tage 2019 mit komponierter und improvisierter Musik, natürlich auch von und über Reger. Bild: dok
Der in Velburg gebürtige Organist (hier bei einem Konzert in der Schulkirche Amberg) beschließt den Orgeltag der Max-Reger-Tage 2019 mit komponierter und improvisierter Musik, natürlich auch von und über Reger.

Beim Nachmittagskonzert zum Orgeltag der Max-Reger-Tage erwarten uns zwei komponierte Werke von Reger und Schönberg und vier Improvisationen nach Motiven von Bach und Reger sowie im Stil von Mozart.

ONETZ: Arnold Schönberg ist nicht vorrangig als Orgelkomponist bekannt. Welche seiner Seiten zeigen uns die beiden „Fragmente einer Sonate“ von 1941?

Martin Sturm: Schönberg hat sich schon früh mit dem Instrument Orgel beschäftigt. In seinem unvollendeten Essay „Die Zukunft der Orgel“ verlangt er größtmögliche Flexibilität und Expressivität dieses Instruments. Die Orgel wird in den beiden Kompositionen in extremer Weise als lebendiger Organismus herausgearbeitet. Es scheint als würde jede einzelne Pfeife in ihrer ganzen Individualität zum Träger menschlichen Ausdrucks innerhalb einer komplexen polyphonen Welt.

ONETZ: Max Regers „Symphonische Phantasie und Fuge“ op. 57 steht wie ein gigantischer Monolith im Raum. Welche Rolle spielt sie in Ihrem vielschichtigen Programm?

Martin Sturm: Sie ist nicht nur ein Meilenstein in Regers Schaffen sondern ein musikgeschichtlicher Sonderfall. Ungeahnte Kraft und vielschichtige Poesie sind in herausragender Weise konzentriert. Das Werk ist in seinem radikalen Existentialismus eine verblüffende Reise durch tiefste „seelische Landschaften“ – das Motto meines Konzerts.

ONETZ: Sie improvisieren über Motive aus Bachs BWV 573 und dem lateinischen Requiem von Max Reger. Wie werden Sie mit dem Material der Komponistenkollegen umgehen?

Martin Sturm: Als Fragmente hinterlassen beide eine offene Welt der Möglichkeiten. Mein Anliegen ist es, ihr Wesen zu erfassen und ihnen durch mein Improvisieren einen Wirkungsraum zu geben. Die Frage nach stilistischer Kohärenz wird dabei zweitrangig.

ONETZ: „Wenn ich einmal soll scheiden“ dieser Choral geistert durch viele Werke Regers. Bei einer Choral-Improvisation liegt der Gedanke an Regers Choral-Phantasien nahe.

Martin Sturm: Mit der Omnipräsenz dieses Chorals verweist Reger auf den permanenten Grundkonflikt menschlicher Existenz und gibt uns tiefen Einblick in sein intimstes Wesen. Ich meine, dass es gerade sein Denken „vom Ende her“ ist, das Reger am stärksten mit seinem Vorbild Bach verbindet. Die Hoffnung, die dem Choraltext innewohnt, wird sicherlich ein starker Antrieb für den Kraftakt seines Komponierens gewesen sein. So steht mit der Verwendung dieses Chorals am Ende des Programms meine ganz persönliche Verneigung vor diesem Riesen der Musikgeschichte.

ONETZ: Regers Musik, was kann sie heute in uns wecken, ansprechen, inspirieren?

Martin Sturm: Die Relevanz der Musik Max Regers ist für uns moderne Menschen nicht zu unterschätzen. Seine Suche nach nie da gewesenen „Seelenstimmungen“ gründet in der Suche nach dem Menschlichen in einer sich stetig wandelnden und oft unmenschlichen Welt. Das „Destruktive“ wird bei Reger zum Bestandteil des Komponierens. Andrerseits finden sich tausendfach intimste Momente reinster Glückseligkeit wieder, aber ganz versteckt, in Kleinstpartikeln seiner Partituren. Gerade dieser Konflikt ist es, der Regers Kompositionen nach einem gewaltigen Kraftakt fast immer in einen strahlenden Schlussakkord führt. Eine hoffnungsvolle Metapher angesichts allen Leides. So bleibt Regers Musik stets aktuelle Reflexionsebene unserer menschlichen Existenz und ist es vielleicht in ganz besonderer Weise, weil wir in seinen Werken auch immer seinem ganz eigenen Humor begegnen dürfen.

 
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