ONETZ: Sie haben die östlichste von drei Varianten zwischen Hof und Pfreimd gewählt, vorbei an Mitterteich, Tirschenreuth, Püchersreuth, Störnstein, Neustadt, Weiden, Irchenrieth, Luhe, Wernberg nach Pfreimd. Welche Vorteile bietet Sie aus Ihrer Sicht?
Kürth: In der Summe sprechen für sie Aspekte des Umweltschutzes und der Raumordnung. Es gibt mehr Bündelungsmöglichkeiten mit dem Ostbayernring und der Gaspipeline bei Tirschenreuth oder mit der A93 bei Hof. Auf der Westtrasse stoßen wir auf mehr großflächige Raumwiderstände, wie Wasserschutzgebiete, Wald, den man unter Umständen unterbohren müsste, oder verdichtungsempfindliche Böden.
ONETZ: Sie wollten vor der Festlegung des Vorzugskorridors Anregungen und Einwände betroffener Gemeinden einholen – insofern überrascht die breite Kritik.
Kürth: Wir haben bei unseren planungsbegleitenden Foren alle Mandatsträger, Fachbehörden und Bürgerinitiativen eingeladen, den aktuellen Stand diskutiert und dabei den Verlauf, wo möglich, angepasst. Wir rückten zum Beispiel in Gattendorf bei Hof auf Vorschlag des Bürgermeisters näher an die A93 heran.
Lieberknecht: Bei Mitterteich sind wir schon zu einem früheren Zeitpunkt östlich von einem geplanten Gewerbepark abgerückt.
ONETZ: Der Vorschlag ist mit 137,4 Kilometer nicht die kürzeste Strecke. Womit begründen Sie die Abweichung?
Kürth: Die mittlere Variante wäre etwas kürzer, aber bautechnisch anspruchsvoller.
ONETZ: Der Weidener Bundestagsabgeordnete Albert Rupprecht fordert weiter eine eingehende Prüfung, ob der Seitenstreifen der A93 nicht doch geeignet ist?
Lieberknecht: Eine größere Bündelung mit der A93 ist nicht möglich. Das sieht man schon daran, dass die Bundesnetzagentur unsere Planung auf Vollständigkeit prüft. Wir haben die Bündelung in den Bereichen, wo es möglich ist, gründlich untersucht, haben aber entlang der A93 immer wieder Wald sowie Siedlungs- und Industrieannäherungen, wo eine Bündelung entweder gar nicht oder nur mit erheblichem Eingriff geht. Sie sehen das auf der Karte: Sie haben Siedlungen am Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald, die A93 geht durch Wohn- und Industriegebiete bei Pfreimd und Rehau, auch westlich von Weiden. Da müsste man einen großen Umweg einplanen, und kann dann wieder auf Wald oder Schutzgebiet treffen.
ONETZ: In diesem Zusammenhang kritisieren die Landräte Wolfgang Lippert (Tirschenreuth) und Andreas Meier (Neustadt/Waldnaab), dass Sie nicht geprüft hätten, ob bei 525-kv-Leitungen 2 Stränge reichten und das dann eine Option für den Standstreifen wäre?
Lieberknecht: Wir haben derzeit ein Präqualifikationsverfahren für 525-kv-Leitungen mit mehreren namhaften Kabelherstellern am Laufen. Dadurch könnte sich die Anzahl der Kabel von 4 auf 2 reduzieren. Wir kämen dann auf einen Kabelgraben mit einer Breite von 7 bis 10 Metern anstatt von zwei. Daran sieht man schon, dass der Standstreifen bei weitem nicht ausreicht. Dazu kommt, dass uns keine Autobahndirektion erlauben wird, über Jahre auf 137 Kilometern nicht nur den Standstreifen zu sperren, sondern eine Beeinträchtigung der gesamten Autobahn hinzunehmen – und das nicht nur in der Bauphase, denn wir müssen bei Störungen jederzeit ran kommen. Eine Asphaltierung ist keine Option. Man muss im Betrieb einen Kabelfehler erst mal suchen, man kann ihn nur auf wenige 100 Meter lokalisieren, dann muss man auf zehn Meter aufgraben. Auch da ist sofort klar, wie stark das in den Verkehr eingreifen würde.
ONETZ: Landrat Meier warnt, dass „eine überbreite, technisch veraltete Maximallösung durch die Land(wirt)schaft“ aktiven Widerstand auslösen könne. Macht Ihnen das Sorge?
Kürth: Das ist keine veraltete Technik, die wir seit Anfang des Jahrzehnts betreiben, und wir entwickeln diese High-Tech immer noch weiter.
ONETZ: Wie kann dann der Eindruck entstehen, Sie würden nicht alles tun, um die schonendste Technik einzusetzen?
Kürth: Wir haben alle Betroffenen kontinuierlich über unsere Planung informiert. Zum jetzigen Planungsschritt müssen wir erst einmal den verträglichsten Korridor finden. Erst danach erfolgt eine genaue Definition von Flächen und Technik.
Lieberknecht: Wir arbeiten aktiv mit daran, den Leitungsausbau auf das jetzt geplante, verträgliche Maß zu deckeln. Wir planen in 40-Jahres-Zeiträumen, sind an der Entwicklung von vernetzten Heimspeichern und Elektroautos, an großtechnischen Anlagen für Power to Gas beteiligt - so viel zum Vorwurf, wir arbeiteten mit veralterter Technik.
ONETZ: Weiter umstritten ist die Entschädigung der Landwirte, die eine Maut wollen, aber nur eine bessere Einmal-Abfindung angeboten bekamen.
Lieberknecht: Es gibt die Überlegung, die Entschädigung etwas zu erhöhen. Aber von uns aus können wir bei bundesrechtlichen Fragen nicht vorpreschen.
ONETZ: Landwirte kritisieren, das die Erdverkabelung einen dramatischen Eingriff in die Bodenqualität bedeutet?
Kürth: Wir haben in Zusammenarbeit mit den betreffendnen Ämtern von Schleswig bis Bayern und externen Experten Leitlinien zum Boenschutz entwickelt. Die Bodenschichten werden getrennt gelagert und wieder rückverfüllt, Welche Schutzmaßnanmen man genau ergreifen muss, wird dann vor Ort definiert.
Lieberknecht: Das Thema ist bei uns ganz weit oben angesiedelt und betriff auch Drainagesysteme und den Wasserhaushalt. Wir schauen schon bei der Korridorsuche, empfindliche Böden und Speichermöglichkeiten von Wasser zu vermeiden. Wir haben Erfahrungen bei unseren Gasleitungen wie bei Tirschenreuth, aber auch bei der Erdverkabelung in Norddeutschland. Man sieht den Eingriff schon nach einer Vegetationsperiode nicht mehr, nach zwei findet eine ganz normale Bewirtschaftung statt.
ONETZ: Welche Rolle spielt die Erwärmung und kann es zu einer Koppelung mit den steigenden Temperaturen kommen?
Kürth: Die Kabeln erhitzen sich unter Volllast über mehrere Wochen auf eine maximale Außentemperatur von 30 bis 40 Grad in 1,5 bis 2 Metern Tiefe. Und das ist die Worst-case-Annahme. An der Wurzel kommen da etwa 1 bis 2 Grad an, das entspricht normalen Schwankungen. Beeinträchtigungen sind nicht zu beobachten.
Lieberknecht: Bei der Detailplanung muss man sich anschauen, wie wärmeleitfähig ist der Boden, vielleicht kann man das noch mit Bettungsmaterial aus feinkörnigem Sand dämpfen. Da wird jedes einzelne Grundstück wird angeguckt.
ONETZ: Der durch den WAA-Widerstand bekannte Anwalt Wolfgang Baumann vertritt die Stadt Schwandorf und fordert im Bündelungs-Kontext die Zusammenlegung der Planung beider Trassen. Was sagen Sie dazu?
Lieberknecht: Der Ostbayernring ist bereits in der Planfeststellung, also deutlich weiter in der Planung. Das Gutachten bezieht sich auf den Ostbayernring. Dort, wo die Bündelung machbar ist, machen wir sie. Das Planfeststellungsverfahren wurde eröffnet, die Kritikpunkte gehören genau in dieses formelle Verfahren rein und können, wenn berechtigt, berücksichtigt werden. Auch diese Planung wurde der Vollständigkeitsprüfung unterworfen, weshalb die grundlegende Kritik, wir hätten Erdkabel nicht genügend betrachtet, nicht zutrifft.
Der Gesetzgeber gibt uns dazu keine Möglichkeit, genauso wie beim Einsatz von Vollwandmasten, die Mehrkosten durch größere Baustraßen verursachen. Auch bei der Umweltverträglichkeit sind wir überzeugt, gründlich geplant zu haben. Die Bündelung haben wir, wo möglich, berücksichtigt. Der Ostbayernring nähert sich aus einer anderen Richtung, trifft auf Höhe Kirchenlamitz auf den Südost-Link. Dort planen wir parallel, dann verlassen wir den Ostbayernring bei Windischeschenbach und dem Manteler Forst, wo man mit Überlandleitungen ganz andere Möglichkeiten der Überspannung hat. Zwischen Kirchenlamitz und Mitterteich aber macht es Sinn.
ONETZ: Annette Karl nimmt Sie in Schutz, weil der Zeitdruck zu groß, und nicht einmal alle Gesetze, wie das Nabeg in Kraft sei ...
Lieberknecht: Wir haben schon einen Zeitdruck, das novellierte Nabeg, das gerade durch den Prozess geht, sieht Strafzahlungen bei Verzögerungen vor. Die Inbetriebnahme ist für 2025 vorgesehen, und es gibt gute Gründe für den Druck. Wir sind ein reguliertes Unternehmen durch und durch. Die Kosten zahlen über das Stromnetz alle Bürger. Wir haben eine Milliarde Euro Redispatchkosten nur im Tennet-Netz in einem Jahr – durch Ausfallkosten, wenn ein Kraftwerk wegen Überlastung runtergefahren werden muss. Das Gaskraftwerk Irsching läuft im Stand-by. Wenn wir sagen, wir brauchen was von euch morgen, besorgen die den Rohstoff möglichst schnell und haben deswegen Vorhaltungskosten. Es gibt politischen Druck, diese Kosten zu senken. Wenn wir diese Leitungen nicht hinbekommen, können wir an einigen Stellen auch den Kohleausstieg nicht realisieren.
ONETZ: Allerdings lehnt Karl als mögliche Folge des Nabeg die Verlegung von Leerrohren für steigenden Strombedarf ab – haben Sie das schon berücksichtigt?
Lieberknecht: Aktuell gilt eine Übertragungskapazität von 2 GW als gesetzlicher Rahmen, wir sehen keinen Bedarf für 4 GW. Wir müssen aber gucken, was sagt der Gesetzgeber dazu. Das würde eine Verdoppelung der Gräben bedeuten.
ONETZ: Halten Sie den Zeitplan ein?
Lieberknecht: Die Pläne sind auf 2025 ausgerichtet. Bei allen Großprojekten sieht man, dass es öffentlichen Widerstand gibt. Wir versuchen in vielen Veranstaltungen zu informieren. Viel des Protestes richtet sich gegen die Annahme, dass überhaupt Bedarf besteht. Das wurde woanders festgestellt, das können wir nicht ändern. Wir geben Einblick, wie sich die Leute beteiligen können. Die Pläne sind bereits online, die Unterlagen muss dann die Bundesnetzagentur veröffentlichen.
Ob der Strom über Oberviechtach oder aber über Unterschleißheim fließt, ist dem Oberpfälzer nicht ganz gleich. Anders formuliert: Hubert Aiwangers flapsige Bemerkung, er würde kein Geld auf den Tennet-Bau verwetten, macht Trassen-Gegnern Mut.
Gaswerke wie das in Irsching irgendwo in Oberbayern kämen Kritikern des Mammut-Projekts von den Windparks in der Nordsee bis zu den Alpen gelegen. Denn Aiwanger hat ja recht: Es sind schon kleinere Großprojekte krachend gescheitert.
Andererseits: Man muss sich der energiepolitischen Autonomie sehr sicher sein, wenn man sich trotz AKW- und Kohleausstiegs der Möglichkeit des Stromimports beraubt. Selbst unter Energiewende-Fans besteht keine Einigkeit, ob man mit den Erneuerbaren dezentral den Industriestandort am Laufen halten kann – da geht der Riss selbst durch die Grünen.
Unter diesen Vorzeichen verfolgen die Tennet-Vertreter politisch und juristisch korrekt das Ziel, bis 2025 verkabelte Tatsachen zu schaffen. Dabei kämpfen sie an zwei Fronten: mit Totalverweigerern in den Bürgerinitiativen und Vertretern von Partikularinteressen. Der Eindruck mag täuschen, aber manche oft wiederholte Forderung, wie die Verlegung der Kabel unter die Autobahn, klingt nach Spiel auf Zeit.
Hier schließt sich der Kreis: Trassengegner Aiwanger hat das Aus der Strom-Autobahn zwar nicht im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Aber über den Energiegipfel schießt der Landwirt dem Projekt von hinten durch die Brust ins Auge.














Ich verstehe es nicht... Ein Erdkabel ist doch die beste Lösung.
Hochspannungsleitungen überirdisch mag keiner. Das kann man auch verstehen. Wenn aber die Kabel in 1,5 bis 2m Tiefer verlegt werden, somit keine Elektromagnetische Strahlungen oder auch keine Erwärmung an der Erdoberfläche mehr zu messen sind...
Man kann nach der Verlegung auch wieder bepflanzen, bewirtschaften oder was auch immer. Ein zwei Jahre danach sieht kein Mensch mehr, dass dort Strom im Erdreich verläuft.
Was wollen die Bürger denn dann?
"Erneuerbare Energie - Ja, aber bitte kein Windrad in Sichtweite bei mir..." etc.
Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen. Überlegt doch mal. Ist das besser für die Umwelt und die Menschen als Atomkraftwerke und Hochspannungsmasten? Ja, ist es. Also lasst die Erdverlegung zu. Alle brauchen wir die Energie für unser Leben, für unseren Luxus und für unsere Elektromobile irgendwann. Wir wollen uns nicht abhängig machen von Nachbarländern, die uns evtl. irgendwann den "Saft" abdrehen.
Schraubt Euch Solarplatten auf die Häuser. Sorgt - wo es geht - mit dafür, dass unsere Erde und unser Klima wieder besser werden.
In diesem Sinne. Fröhliche Weihnachten und eine gesunde Zukunft.
Frank J. Hennig
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