"Wir werden von allen Seiten in die Mangel genommen", räumt selbst die Sprecherin der Bundesnetzagentur ein. Kommunikativ sei es keine Meisterleistung, wenn die Mehrheit der Bürger nicht verstehe, warum die von den örtlichen CSU-Mandatsträgern geforderte "eingehende Ermöglichungsprüfung" - einer Verlegung der Erdkabel im Grünstreifen der Autobahn - nun doch nicht erfolge.
Die Bundesnetzagentur habe letztlich keine weitere Prüfung in Auftrag gegeben, weil es von den Fachbehörden keine "belastbare Zustimmung" gegeben habe. Daran habe auch der vom CSU-Bundestagsabgeordneten Albert Rupprecht initiierte Runde Tisch nichts geändert. "In der Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums und der Autobahndirektion stand am Ende nicht drin, dass es uneingeschränkt geht."
Vielmehr hätten diese darauf insistiert, dass die "gesetzlichen Ausnahmevoraussetzungen" gegeben und die "Leichtigkeit des Verkehrs" gewährleistet sein müssten. "Das hat eine erneute Prüfung nicht gerechtfertigt." Trotz aller Einwände sei die Behörde zuversichtlich, den Zeitplan einhalten zu können: "Die Inbetriebnahme ist 2025 geplant", sagt die Sprecherin, "anders als beim Südlink, bei dem das Ziel auf 2026 hochgesteckt wurde, habe ich nichts anderes gehört."
Rupprecht: "Es ist nicht förderlich, eine Region gegen sich zu haben"
Erwartungsgemäß wenig überzeugend finden die Befürworter der Autobahntrasse diese Argumentation: "Anders als die Bundesnetzagentur in ihrer heutigen Stellungnahme suggeriert, hat die über Monate von uns Volksvertretern von den zuständigen Ministerien eingeforderte detaillierte aktuelle Ermöglichungsprüfung nie stattgefunden", sagt der Weidener CSU-Bundestagsabgeordnete Albert Rupprecht.
Er teile mit Agenturchef Jochen Homann die Auffassung, dass das Projekt für die Energiewende benötigt werde. Allerdings mit einem Verlauf, der Menschen, Landschaft und Natur so geringe Belastungen wie irgendwie möglich bringe. "Den von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen Verlauf der Stromtrasse unterstützte ich deswegen nicht." Er warnt: "Es ist nicht förderlich, eine Region gegen sich zu haben - die mogeln sich mit Endlosschleife durch."
Reiß: "Vollendete Tatsachen"
Der Tirschenreuther CSU-Abgeordnete Tobias Reiß bringt seine Enttäuschung mit einem Brief an Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zum Ausdruck: "Du hattest in mehreren Gesprächen und zuletzt in deinem Brief an den Neustädter Landrat Andreas Meier vom 09.10.2019 zugesichert, dass eine solche Prüfung erfolgen soll und du die ,A 93 als eine besonders geeignete Bündelungsoption' ansiehst." Umso unverständlicher sei es, dass die Bundesnetzagentur nun vollendete Tatsachen schaffe. "Wir haben uns mit dem Verlauf entlang der Autobahn für eine Variante stark gemacht, die nicht den Oberpfälzer Mittelgebirgswald abholzt, sondern die von Nord nach Süd auf dem Grund des Bundes verlaufen würde."
Reiß fordert im Sinne berechtigter Anliegen von Kommunen, Bevölkerung und Landwirtschaft "deutlich zu machen, dass eine Prüfung des Grünstreifens als echte Alternative noch erfolgen muss, ehe einem Trassenverlauf seitens des Freistaates zugestimmt werden kann"
Langgärtner: "Das prallt alles ab"
Josef Langgärtner, Vorsitzender der Freien Wähler in Parkstein und Sprecher der Initiative gegen den Süd-Ost-Link, betont, dass die Bundesnetzagentur mit Ausnahme des Mantler Forstes die von Tennet vorgeschlagene Vorzugstrasse ausgewählt habe. "Für die Umwelt ist das eine Katastrophe", sagt der Elektrotechniker im Ruhestand. "1000 Hektar Natur, egal ob Wald oder Wiese werden zerstört, sensible Bereiche mit seltenen Tieren." Man habe das an Tennet gemeldet, aber: "Das prallt alles ab."
Und das alles für die Energiewende? Mitnichten, findet Langgärtner: "Das ist eine Handelsstromtrasse und sonst gar nichts." Deshalb planen die Trassengegner am 24. Januar eine Infoveranstaltung mit Anwalt Wolfgang Baumann und Rainer Kleedörfer von N-ergie: "Wir wollen aufklären, wie wir nach Abschluss der Bundesfachplanung jetzt weiter gegen die Trasse vorgehen können."
Galozy: "Es geht um Milliarden, nicht um Windenergie"
Wenig überrascht von der Entscheidung gegen die Autobahntrasse zeigt sich Hubert Galozy. Der Sprecher der Initiative gegen den Süd-Ost-Link bezweifelt die Machbarkeit einer Trasse an der Autobahn. „Die Begründung der Bundesnetzagentur für den gewählten Verlauf erläutert das einleuchtend“, findet der Bürgermeisterkandidat von Leinburg (Freie Wähler).
In der Sache ist sich Galozy sicher: „Nicht nur Claudia Kemfert, Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance, bezweifelt, dass der Süd-Ost-Link notwendig ist.“ Es gehe nicht um Windenergie aus dem Norden, sondern um Milliarden für die Investoren – mit garantierter Rendite von 7 Prozent. Und er kündigt Proteste an: „Wir planen nächstes Jahr Camps, einige Widerstandsnester auf den 300 Kilometern.“ Sobald die Bagger rollen, würden noch mal einige Bürger aufwachen, hofft Galozy.
Demokratie ist kompliziert: Vor allem auch für Großprojekte
Demokratie ist anstrengend. Je mehr mitreden wollen, desto komplizierter wird es. Das gilt besonders für Großprojekte wie den Süd-Ost-Link. Früher, als Umwelt noch ein Fremdwort war, wurden Entscheidungen für Autobahnen oder industriepolitische Großbaustellen durchgewunken und nicht selten beklatscht. Heute müssen sich die Entscheidungsträger schon mehr einfallen lassen, um die divergierenden Interessen zu befrieden.
Regierung, Bundesnetzagentur und Tennet stellen den Süd-Ost-Link als wesentlichen Beitrag zur Energiewende dar. Durch seine Adern soll die Windenergie von der Nordsee das windarme Bayern fluten. Schon der Zeitplan gibt Rätsel auf. Frühestens 2025 soll er in Betrieb gehen. 2030 sei realistischer, sagen Kritiker. Als Ersatz für die dann längst abgeschalteten AKWs zu spät. Inwieweit dann noch Kohlestrom aus der Lausitz ins Netz geht, wie Trassengegner befürchten, ist ebenfalls fraglich.
Unbestritten ist, dass der Süd-Ost-Link Teil des europäischen Verbundsystems sein wird – mit keinem geringen Anteil an Atomstrom. Aber, wie Befürworter sagen, auch mit der Chance, erneuerbare Ressourcen aus Skandinavien anzuzapfen. Demokratie ist eben kompliziert, jede Seite schickt seine Experten ins Rennen. Um so wichtiger: Die Entscheidung für ein so umstrittenes Projekt muss über jeden Zweifel erhaben sein. Es reicht nicht, die Prüfung der Autobahntrasse mit dem Bürokraten-Argument abzulehnen, die Fachbehörden hätten nicht vorbehaltslos zugestimmt. (jrh)
Ja, die Entscheidung über Projekte wie den Süd Ost Link muss über jeden, auch rechtlichen Zweifel erhaben sein, in diesem Punkt volle Zustimmung. Und genau da hapert es, denn die fachlich zuständige Behörde, die die umfassende Erlaubnis zur Prüfung der „Autobahnvariante“ gibt, untersteht dem Bundesverkehrsministerium von Andreas Scheuer, CSU. Und gerade steht Scheuer vor einem Untersuchungsausschuss zur PKW Maut. Hier hat er die Verträge mit den Betreibern abgeschlossen, bevor die Gesetze dazu gültig waren. Scheuer wird sich hüten, in ein weiteres rechtliches Fettnäpfchen zu treten und eine Anweisung zu geben, die eine generelle Lockerung des Fernstraßenrechts voraussetzte. Diese Lockerung müsste laut Pressesprecherin Platz (NT-Bericht vom 24.04.2019) für eine vertiefte Prüfung des Grünstreifens neben der Autobahn erfolgen, was jedoch nie thematisiert worden sei.
Jetzt versuchen die Abgeordneten Rupprecht und Reiß erneut, Hubert Aiwanger den Schwarzen Peter im Umgang mit der BNetzA zuzuschieben, Rupprecht bezichtigt ihn in einem Rundschreiben gar, sein Versprechen gebrochen zu haben. Ganz und gar fehl am Platz ist das, denn das der Bundesnetzagentur vorgesetzte Ministerium befindet sich in der Hand der Schwesterpartei der CSU, der CDU. Peter Altmaier wäre der richtige Ansprechpartner gewesen. Ihn haben offensichtlich weder Scheuer noch Rupprecht kontaktiert. Und Aiwanger hat in der Stellungnahme seines Ministeriums gegenüber der BNetzA gefordert, die Bündelungsoption zu prüfen. Er hat also sein Versprechen gehalten. Der Ball liegt jetzt bei der Bundesregierung, also MdB Rupprecht.
Wir sehen, die Wahlkampfmanöver der CSU gehen weiter – ohne Rücksicht auf die Fakten.
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