Weiden in der Oberpfalz
09.07.2019 - 10:58 Uhr

Der VW-Wahnsinn: "Bergfest" an Gerichten

Richter in Amberg und Weiden arbeiten sich durch stapelweise VW-Klagen. Rund 300 von 770 Verfahren - allein in diesen Bezirken - sind erledigt. Es zeichnet sich eine Überraschung ab: In Weiden gewinnt meist der Kunde, in Amberg Volkswagen.

VW-Akten am Landgericht Weiden: 420 Verfahren sind es im Landgerichtsbezirk Amberg, 348 in Weiden. 323 waren zum Halbjahr erledigt. Bild: ca
VW-Akten am Landgericht Weiden: 420 Verfahren sind es im Landgerichtsbezirk Amberg, 348 in Weiden. 323 waren zum Halbjahr erledigt.

An den benachbarten Landgerichten haben sich unterschiedliche Rechtsmeinungen durchgesetzt. Gemeinsamkeit ist die hohe Belastung der Zivilkammern. Besonders bitter: Im Prinzip arbeiten die Richter für den Papierkorb. Denn in der Regel wird Berufung am Oberlandesgericht Nürnberg eingelegt - zu der es dann nie kommt, weil VW in letzter Minute außergerichtliche Vergleiche anbietet.

2023 Berufungen zu VW-Klagen sind nach Auskunft von Friedrich Weitner, Leiter der Justizpressestelle, am Oberlandesgericht Nürnberg bis zum Halbjahr eingegangen. 576 sind erledigt - davon kein einziges durch Urteil. Es tritt immer das gleiche Phänomen auf: Sobald der Termin feststeht, geht am OLG ein Schreiben ein, dass man sich außergerichtlich geeinigt habe. Das "Phänomen" gilt deutschlandweit. Nach wie vor gibt es keine höchstrichterlichen Urteile.

Und so kämpfen sich Richter in erster Instanz mehr oder weniger im "Blindflug" durch Aktenberge. Die Aushänge der Zivilkammer am Landgericht Weiden sind an manchen Tagen so lang, dass sie mit Tesafilm neben den Schaukasten geklebt werden müssen. Bei der 1. Zivilkammer waren nach Auskunft von Landgerichtsvizepräsident Josef Weidensteiner 348 VW-Klagen anhängig. 236 Verfahren laufen noch. 112 sind entschieden - "zu über 90 Prozent zugunsten der Kläger". Die Weidener Richter gehen von Betrug und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus.

Die Entscheidungen aus Weiden reichen bis zur Rücknahme von Fahrzeugen und Rückzahlung des Kaufpreises, zuletzt beispielsweise im Fall eines Skoda Superb (Entscheidung 11 O 521/18). Bei den wenigen abgewiesenen Klagen lagen laut Weidensteiner besondere Umstände vor. Zum Beispiel handelte es sich um Kaufverträge aus dem Jahr 2016. Zu diesem Zeitpunkt war die Problematik bereits in der Öffentlichkeit bekannt und der Kunde erwarb quasi sehenden Auges einen "Schummel-Diesel".

In Amberg, dem etwas größeren Landgerichtsbezirk, ist die Zahl der Klagen noch höher. Hier kann "Bergfest" gefeiert werden: Von rund 420 Verfahren sind noch 209 offen. 211 sind im ersten Halbjahr erledigt worden. Nach Einschätzung von Landgerichtssprecher Uli Hübner überwiegen hier "bei weitem" die Klageabweisungen.

Unter anderem wird in Amberg argumentiert, dass der Kunde nicht getäuscht worden sei: Das Fahrzeug kann jederzeit problemlos auch in Umweltzonen einfahren. Nach der Durchführung der Software-Updates werde die "Euro 5-Norm" weiterhin erfüllt. Und selbst wenn man von einer Täuschung ausgehe, so liege allenfalls eine Täuschung gegenüber dem Kraftfahrzeugbundesamt vor. Auch eine "vorsätzliche sittenwidrige Schädigung" sieht man in Amberg nicht. Argumentation: Die Abschalteinrichtung komme lediglich unter Laborbedingungen zum Einsatz und sei gerade bei der Benutzung im Alltag nicht aktiviert. Geschädigt werde damit nicht der Autobesitzer, verletzt werde vielmehr eine Vorschrift zum Schadstoffausstoß.

Bleibt die Frage, was VW den Kunden außergerichtlich anbietet. Der Weidener Anwalt Werner Buckenleib vertritt rund 80 betroffene Diesel-Fahrer. Auch seinen Mandanten wurden und werden in der Regel von VW "faire" Vergleichsangebote gemacht. Die üblichen Varianten sind eine Einmalzahlung oder der Rückkauf. Über Details und Summen ist Stillschweigen vereinbart.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.