Er ist der wohl im Ausland bekannteste griechische Schriftsteller der Gegenwart: Petros Markaris. Mit seiner Krimi-Reihe um Kommissar Charitos sorgt er immer wieder für Furore. Den neuen Band "Drei Grazien" stellt er im Rahmen der Weidener Literaturtage am Mittwoch, 3. April (20 Uhr), in der Sparkasse Oberpfalz Nord vor. Petros Markaris ist ein exzellenter Kenner der deutschen Sprache – ein Glücksfall für dieses Interview.
ONETZ: Herr Markaris, Ihr Kommissar Kostas Charitos wird gerne in einem Atemzug mit Wallander und Brunetti genannt. Was unterscheidet Ihre Figur von den anderen – abgesehen vom Ort der Ermittlungen?
Petros Markaris: Was ihn von Wallander unterscheidet, ist das Familienleben. Wallander ist geschieden und hat eine Tochter. Charitos hat eine Familie. Jetzt sogar mit einem Enkelkind. Mit der Familie Brunetti liegt der Unterschied im sozialen Status. Die Familie von Charitos ist typisch kleinbürgerlich, während Brunetti eine intellektuelle Familie hat. Adriani, die Frau von Charitos ist eine Hausfrau. Die Frau von Comissario Brunetti ist Uni-Professorin. Selbst Brunetti hat studiert. Charitos dagegen hat nur die Polizeischule absolviert.
ONETZ: In Ihren autobiographischen Notizen „Wiederholungstäter“ beschreiben Sie Ihren Kommissar fast schon als Dämon, der urplötzlich von Ihnen Besitz ergriffen hat. Ich habe aber auch den Eindruck, dass Sie sich nicht so richtig dagegen gewehrt haben, oder?
Petros Markaris: Nein, aber wie konnte ich? Er stand jeden Morgen vor meinem Schreibtisch, seinen Blick auf mich gerichtet. Ich schrieb damals Drehbücher zu einer sehr erfolgreichen Krimiserie und ich konnte mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren. Diese tägliche Qual gab mir den Hinweis, dass der Mann ein Polizist sein musste.
ONETZ: Sie sind erst relativ spät zum Krimi-Autor geworden. Warum eigentlich? Andererseits: In Ihrer Charitos-Reihe mischen sich ja Krimi und Gesellschaftsanalyse des heutigen Griechenlands. Sehen Sie sich selbst als „echten“ Krimi-Autor?
Petros Markaris: Sie haben ja „Wiederholungtäter“ gelesen. Ich sage dort, dass ich oft in meinem Leben gezwungen war zu machen, was ich nicht machen wollte, und damit auch Erfolg hatte. Der Kriminalroman gehört dazu. Ich wollte eigentlich keine Romane schreiben. Ich war mit meiner Arbeit als Drehbuchautor und Übersetzer sehr zufrieden. Dann kam aber Charitos zu Besuch und der Polizist bestimmte meine Zukunft als Krimiautor. Es stimmt auch, dass ich die Krimihandlung als Ausgangspunkt für eine Gesellschaftsanalyse benutze, aber viele zeitgenössische Autoren des Mittelmeerkrimis und des skandinavischen Kriminalromans machen dasselbe. Die Ursprünge dieser Tendenz gehen weit zurück, in den bürgerlichen Roman des 19. Jahrhunderts. Viele Romane dieser Zeit haben als Ausgangspunkt eine Polizei- oder Kriminalgeschichte. So zum Beispiel „Die Elenden“ von Victor Hugo, „Schuld und Sühne“ und „Die Brüder Karamasow“ von Dostojewski und mehrere Romane von Balzac und Zola. Diese Autoren nutzten bereits die Kriminalgeschichte als Ausgangspunkt für einen Gesellschaftsanalyse ihrer Zeit.
ONETZ: Ich versuche es einmal: Sie sind ein in der Türkei geborener Grieche mit armenischen Wurzeln väterlicherseits und haben verschiedene deutsch-österreichische Bildungseinrichtungen besucht. Wie würden Sie selbst Ihre kulturelle Prägung beschreiben?
Petros Markaris: Ganz kurz: Ich bin ein griechischer Schriftsteller mit einer deutschsprachigen Kultur.
ONETZ: Sie haben nicht nur Brecht, sondern auch Goethe vom Deutschen ins Griechische übersetzt. Woher rührt Ihr Faible für deutschsprachige Literatur?
Petros Markaris: Ich habe mein Gymnasialstudium in einem deutschsprachigen Gymnasium abgeschlossen. Es entstand dadurch bereits in meiner Jugend eine Beziehung zur deutschen Literatur, die während meiner Studienjahre in Wien noch stärker wurde. Ich kenne mich in der deutschen Klassik weit besser aus als in der griechischen Antike. Meine literarische Sprache ist Griechisch, das auch meine Muttersprache ist. Meine einzige Möglichkeit, beide Sprachen zu pflegen, war die Übersetzung. Ich habe nicht nur Goethe und Brecht übersetzt, sondern auch Stücke von Wedekind, Schnitzler und Kroetz.
ONETZ: Abschließend eine Frage an den politischen Menschen: Sie bezeichnen sich selbst als „Linken“. Wie bewerten Sie die rechtspopulistischen Entwicklungen in Europa und wie sollte man darauf reagieren?
Petros Markaris: Die Wiedergeburt des Rechtspopulismus in Europa ist unter anderem auch eine Folge des Versagens der Linken. Wo hört man heute einen linken politischen Diskurs in Europa? Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte Europas, dass sich die Rechtspopulisten linke Slogans zu eigen machen und jene Schichten ansprechen, die sich von der Linken in Stich gelassen fühlen. Nicht alle, die Rechtspopulisten wählen, sind rechtsextrem. Sie sind vielmehr verzweifelt, und Verzweifelte mit einem klaren Kopf und Verstand gibt es nirgendwo auf der Welt. Die Flüchtlings- und Migrantenfrage ist ein seriöses Problem, aber wir machen es uns zu einfach, wenn wir die Wiedergeburt des Rechtspopulismus nur auf dieses Problem begrenzen.
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