"Es war gespenstisch", sagt Rouven Colbatz. Der Anwalt für Strafrecht hatte ausgerechnet am Mittwoch, 14 Uhr, einen Termin am Amtsgericht in Halle (Saale). Um 11 Uhr fuhr er in Weiden los, "ich war etwas knapp", gegen 12.30 Uhr meldet Radio "mdr jump" dann plötzlich Schüsse in Halle. Auf Colbatz' Handy gehen Push-Mitteilungen ein. Die Rede ist von einer "Amok-Lage", die Leute sollen in ihren Häusern bleiben und Straßen meiden.
Colbatz bittet seine Kanzlei in Weiden um Infos. "Ich wollte wissen, ob der Termin überhaupt stattfindet." Eine Mitarbeiterin braucht lange, ehe sie zum Amtsgericht Halle überhaupt durchkommt. Dann kommt die Anweisung: Colbatz soll hinten am Gericht in der Thüringer Straße parken und direkt ins Gebäude gehen. Die Fahrt durch Halle sei gespenstisch gewesen, so Colbatz. Die Straßen sind menschenleer. "Ich war zweispurig allein unterwegs." Zivile Polizeiwagen mit montierten Blaulichtern und Krankenwagen schießen durch die Stadt. Ohnehin: "Den ganzen Nachmittag hat man Sirenen gehört. Unablässig." Hubschrauber knattern, Blaulichter blitzen.
Um 14.45 Uhr bricht Colbatz nach seinem Gerichtstermin (ein Routinefall: Erschleichen von Leistungen) wieder auf. Aufgrund der Straßensperrungen lässt er sich vom Navigationssystem seines Autos führen. Die Route geht über die Dörfer auf Kurs Leipzig - und damit ausgerechnet in die Richtung, die auch der Täter nahm. Am Weidener Anwalt rauschen mehrere SEK-Fahrzeuge vorbei. Er fährt rechts ran, ebenso ein 40-Tonner-Lkw. Die Kolonne des SEK kommt auf seiner Höhe zum Stehen. Colbatz sieht neben sich schwarz vermummte Polizeibeamte mit Maschinengewehren im Arm im Polizeibus sitzen.
"Ganz ehrlich: Da bekommt man es mit der Angst zu tun." Im Radio heißt es zu der Zeit, man gehe von mehreren Tätern aus, die Fahndung laufe. Bei Hof erreicht Colbatz schließlich den Freistaat Bayern. An der A 93 sind derart viele Polizeiautos postiert, "dass ich bei 20 das Zählen aufgehört habe". Den 9. Oktober 2019, einen Gerichtstag in Sachsen-Anhalt, wird er nicht vergessen. "Das war wirklich unwirklich."
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