Als Kind sei sie ab und zu bei ihrer Großtante in Weiden gewesen, schreibt Marie-Elisabeth Hecker vor dem Auftritt bei den Weidener Meisterkonzerten am Sonntag, 28. April, um 18 Uhr in der Max-Reger-Halle. Der Namenspatron des Auftrittsortes wiederum sei ihr vor allem im Cellostudium begegnet, „als ich seine Solosonaten gelernt habe, die eine vollkommen eigene Sprache haben und die man sofort von anderen Komponisten unterscheiden kann“. Sehr nahe gehen ihr aber auch Regers geistliche Werke, vor allem seine Chormusik.
Mit den Eigenschaften, die man ihrem Instrument immer ein bisschen stereotyp zuschreibt, kann sie leben: "Warm und singend" treffe es schon sehr gut. „Das Cello ist für mich der menschlichen Stimme und Stimmlage am nächsten. Es kann also meine Stimme sein, und es hat eine unendliche Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten. Beim Musizieren ist es in die eigenen Bewegungen als ‚Partner‘ mit verbunden und eingeschlossen“, konkretisiert sie. Einzig den Stachel auf dem Boden betrachtet sie als kleines Defizit: „Er lässt es nicht zu, sich von dem einen Punkt wegzubewegen beziehungsweise schränkt den Radius ein, in dem man sich frei bewegen kann“.
Als Kind mit dem Cello "verkuppelt"
Der Entscheidung fürs in jedem Fall wohlklingende Instrument lag eine strategische Überlegung der Eltern zugrunde. Weil keines der Geschwister es spielte, wurde eben Marie-Elisabeth mit dem Cello „verkuppelt“. Die Begeisterung war gleich vorhanden, die tiefe Liebe entwickelte sich im Teenageralter – „weil es das Sprachrohr war, mit dem ich mich am besten ausdrücken konnte“.
Der Erfolg ließ auch nicht lange auf sich warten. 2005 gelang Marie-Elisabeth Hecker das Kunststück, den ersten Preis und zwei Sonderpreise beim Rostropowitsch-Wettbewerb in Paris zu gewinnen. „Ich war noch gefühlt ein Kind und wusste überhaupt nicht, was so ein Wettbewerb bedeutet. Das hat mir auch geholfen. Es kannte mich einfach niemand – keiner erwartete irgendetwas. Das ist auch ein Vorteil“, erinnert sie sich. Danach sei allerdings alles etwas zu schnell gegangen: „Ich wurde in eine Welt hineinkatapultiert, in der ich mich nicht zurechtfinden konnte und keinen einzigen berühmten Dirigenten kannte. Heute weiß ich, dass der Wettbewerb mir die Tür in ein Konzertleben geöffnet hat, und ich war sehr froh, keine Wettbewerbe mehr spielen zu müssen“.
Cellisten-Legende getroffen
Damals traf sie auch die 2007 verstorbene Cellisten-Legende Mstislav Rostropowitsch persönlich und sei sehr gerührt von dem Moment gewesen, als er ihr gratulierte, ohne dabei zu sprechen. „Später sollten wir noch ein Konzert zusammen spielen, da war er aber schon zu krank, sodass mir dieses Erlebnis leider nicht mehr vergönnt war.“
Die Prokofjew-Sonate, die auf dem Weidener Programm steht und vom genialen Spiel Rostropowitschs inspiriert war, erachtet die Cellistin als poetischste aller Cellosonaten: „Sie lebt von einer reichen Erzähl- und Farbenwelt, wie im Märchenland im ersten Satz, hat einen unglaublich guten und bissigen Humor im zweiten, mit dem herrlichen Romeo-und-Julia-Mittelteil und einen unglaublich virtuosen, bis an die körperlichen Grenzen vor Kraft strotzenden dritten Satz, den man kaum durchhält. Eines der absoluten Hauptstücke der Celloliteratur.“
Die „Suite italienne“ von Igor Strawinsky charakterisiert Hecker als eine Reihe herrlich kurzer Charaktersätze, die unglaublich originell und auf den Punkt getroffen sind: „So sind diese sehr kurzweilig, hochvirtuos und neoklassizistisch.“ Der weitere Cello-Klassiker, Schostakowitschs Sonate op. 40, bringt ihrer Auffassung nach die "russische Seele" im besten Sinne zum Ausdruck: „Die endlose Weite im ersten Satz, der wahnsinnig getriebene und wütend-wilde zweite Satz, der unglaublich traurige und hoffnungslose dritte Satz und der bissig-ironische letzte Satz, der am Ende die Melancholie und das Erinnern an bessere Zeiten einfach mit einem wütendem Ende kaputtschlägt.“
Doppel-CD in Vorbereitung
Hinter dem rein russischen Abend stecke übrigens keine besondere Agenda: „Wir haben eine Doppel-CD in den letzten Jahren aufgenommen mit sechs russischen Komponisten. Diese Werke sind mit die herausragendsten der Kammermusikliteratur. Noch ist die CD nicht veröffentlicht, aber die Werke bestimmen zur Zeit deshalb unsere Konzertprogramme“.
Das „wir“ schließt Pianist Martin Helmchen ein, der nicht nur auf der Bühne Marie-Elisabeth Heckers Partner ist. Der Vorteil dieser Konstellation liege ganz klar darin, dass man sich so gut kenne, wie man sich in der Musik sonst nicht kennt: „Das heißt, die Musik fließt natürlich ineinander, und wir können vollkommen offen und spontan in unseren Ideen sein, weil der andere sie garantiert auffangen wird“.
Die Herausforderung bestehe allerdings darin, dass man sich nicht immer nur auf die Musik konzentrieren könne, sondern es immer ein „Drumherum“ gebe, das man dann aber ausblenden müsse: „Das funktioniert allermeistens ganz gut.“
Steckbrief
- *Marie-Elisabeth Hecker*, Cellistin, geboren 1987 in Zwickau, Ausbildung am Robert-Schumann-Konservatorium Zwickau, mehrere Auszeichnung bei "Jugend musiziert", musikalischer Durchbruch 2005 beim Rostropowitsch-Wettbewerb in Paris, Studium unter anderem bei Heinrich Schiff; erst Teilnehmerin, später auch Dozentin an der Kronberg-Academy; seit 2017 Professorin an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden; lebt mit ihrem Mann in der "Drauschemühle" in Bornsdorf bei Luckau/ Brandenburg. 2023 gründeten beide das "Internationale Kammermusikfestival Fliessen".
- *Martin Helmchen*, Pianist, geboren 1982 in Berlin, studierte an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, zu seinem Mentoren zählt Alfred Brendel, 2001 Gewinn des "Concour Clara Haskil", seit 2010 Associate Professor für Kammermusik an der Kronberg-Academy, 2020 "Gramophone Music Award" für seine Einspielung aller Beethoven-Klavierkonzerte.
- *Konzert* am Sonntag, 28. April, um 18 Uhr in der Max-Reger-Halle Weiden, Tickets unter www.weidener-meisterkonzerte.de
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.