München
18.12.2018 - 16:12 Uhr

In der Welt verloren

Friedrich Ani schickt seinen Vermissten-Fahnder Tabor Süden auf eine neue Mission

Friedrich Ani Bild: Heike Steinweg/Suhrkamp Verlag
Friedrich Ani

Mitten in München ist ein Schriftsteller verloren gegangen. Ohne Zögern lässt Privatermittler Tabor Süden seinen unmittelbaren Plan, der Landeshauptstadt und seinem bisherigen Leben endgültig den Rücken zu kehren, fallen und begibt sich auf die Suche. Mit förmlich aus den Seiten wabernder Schwermut und Melancholie nähert Friedrich Ani in „Der Narr und seine Maschine“ die beiden vom Leben schwer gezeichneten Hauptfiguren einander an und lässt doch nicht alles in Trübsal ertrinken.

Es sind die kleinen Momente der Menschlichkeit inmitten aller Tragik, die der Geschichte eine Eindringlichkeit verleihen, die sich nur schwer wieder abschütteln lässt. Der Kulturredaktion hat der in München lebende Schriftsteller noch mehr über seinen druckfrischen Roman, die realen Hintergründe und Tabor Südens Zukunft verraten:

ONETZ: Herr Ani, den Titel „Der Narr und seine Maschine“ haben Sie von Cornell George Hopley-Woolrich entliehen. Wann und wie sind Sie auf diesen amerikanischen Kriminalschriftsteller gestoßen?

Ich war in meinen Zwanzigern, als mir klar wurde, dass Woolrich eine Menge Vorlagen für Filme geschrieben hatte, die ich kannte und mochte. Ich fing an, seine Bücher zu lesen, die Romane und Kurzgeschichten, und empfand mich sofort als Teilhaber seiner düsteren, klaustrophobischen Welten. Er ist der Großmeister der Schwarzen Serie, doch seine Bücher sind in Deutschland fast alle vergriffen, kein Verlag beherbergt mehr diesen Schriftsteller. Ein Skandal.

ONETZ: Eine der beiden Hauptfiguren, der Schriftsteller Cornelius Hallig, weist deutliche Parallelen zu Woolrich auf. Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, dessen Biografie literarisch zu verarbeiten?

Auslöser war der Wunsch, zum 50. Todestag Woolrichs – er starb im September 1968 – eine kleine Geschichte zu schreiben. Wir redeten im Verlag darüber, und ich brachte die Idee ins Spiel, meinen alten Freund Süden auftreten und einen verschwundenen Autor suchen zu lassen. So kam es zum Buch.

ONETZ: Große Erfolge mit Bestseller-Kriminalromanen, Verfilmungen, Bearbeitungen für Hörfunk und Theater, Übersetzungen sind Ihnen ja nicht fremd. Beschäftigt Sie bisweilen auch die trostlose Düsternis, in die Ihr Anti-Held stürzt, nachdem sich der Ruhm verflüchtigt hat?

Ich bin mir nicht sicher, ob Hallig, die Hauptfigur, wegen ihrer schriftstellerischen Misserfolge in Düsternis gerät. Vermutlich kümmert ihn das alles nicht. Er sieht sein Leben zerrinnen, außerhalb allen Schreibens, er ist krank, er hat es satt, auf einen Wink des Schicksals zu warten, er trifft eine eigene Entscheidung. Im Geheimen ist er beinah schon erlöst.

ONETZ: Mitten in die pechschwarze Finsternis säen Sie jedoch auch das kleine Glück der Mitmenschlichkeit und des Mitgefühls – ein wichtiges Signal in der heutigen Zeit?

Zur Empathie sind wir alle aufgerufen, ob wir schreiben oder nicht, Künstler sind oder Handwerker, Minister oder Straßenkehrer – vergessen wir das Mitgefühl, sind wir als Menschen erledigt.

ONETZ: Warum wäre für die Suche nach einem verschollenen Schriftsteller kein Anderer in Frage gekommen als Vermissten-Fahnder und Ex-Polizist Tabor Süden, der sich nach 20 Fällen eigentlich schon von allem verabschiedet zu haben schien?

Wie schon öfter: Süden war da, er konnte nicht aus, ihm war bestimmt zu handeln. Er spürt eine Verbindung zum verschwundenen Hallig und macht sich auf den Weg. Ohne Süden wäre diese Geschichte nicht vorstellbar für mich gewesen.

ONETZ: Am Ende findet sich Tabor Süden allein inmitten „lauter Lebenden“ - besteht für seine Fans Hoffnung, dass der „Vermissungs-“Experte doch nicht selbst verloren geht?

Süden hat eine weitere Aufgabe vor sich. Darüber mehr im nächsten Roman, der im Juni 2019 erscheinen wird …

ONETZ: Und noch einmal zurück zum Titel: Spiegelt das Bild „Narr mit seiner Maschine“ manchmal auch in irgendeiner Form Ihre Selbstwahrnehmung?

Was soll ich darauf antworten: Ich schreibe nicht außerhalb meiner selbst, der Narr und seine Maschine, so sah Cornell Woolrich sich im Spiegel, so spiegele ich mich in Cornell Woolrich. „Das Leben ist nur ein wandelnd‘ Schattenbild, ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht sein Stündchen auf der Bühn‘ und dann nicht mehr vernommen wird …“ Das schrieb Shakespeare, der alles über die Menschen wusste.

Info:

Der Roman „Der Narr und seine Maschine“, gebunden, 143 Seiten, ist im Suhrkamp Verlag erschienen und kostet 18 Euro, als eBook 15,99 Euro.

Buchcover Bild: Suhrkamp Verlag
Buchcover
 
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