Mario Albrecht ist in Altenstadt aufgewachsen und hat 1995 in Neustadt Abitur gemacht. Heute lebt er mit Frau und Sohn in Bonn. Der 44-Jährige ist kein Jurist, trotzdem tüftelt er an einer Änderung der europäischen Rechtsordnung. "Beim Verbraucherschutz gibt es eine massive Gesetzeslücke." Mit der beschäftigt sich zurzeit das EU-Parlament.
Hintergrund ist ein Rechtsstreit, der auf das Jahr 2015 zurückgeht. Im Jahr zuvor hat Albrecht, promovierter Informatiker, eine Professur an einer österreichischen Hochschule angenommen. Dort wurde er nicht glücklich und fühlte sich schikaniert. Unter anderem hätten ihm einheimische Kollegen Informationen vorenthalten oder ihn bewusst falsch informiert. Die Sache mündete anderthalb Jahre später in einen Prozess vor dem dortigen Arbeitsgericht. Albrecht pochte auf Weiterbeschäftigung zu den vereinbarten Bedingungen, verlor aber in den ersten Instanzen. "Meine österreichische Anwaltskanzlei hat mich schlecht beraten, zum Glück hatte ich Rechtsschutz", sagt er rückblickend. Während des Prozesses hatte er keine Arbeit und kein Einkommen. 2016 ging er nach Bonn, wo er mit seiner Frau, die ein Kind erwartete, zunächst im Haus der Schwiegereltern unterkommen konnte. In der früheren Hauptstadt fand er eine Stelle bei der Gesellschaft für Informatik, wo er einen bundesweiten Schülerwettbewerb organisiert.
Von Bonn aus beauftragte er eine andere österreichische Kanzlei mit der Revision. "Ich war nie persönlich dort, hatte nur E-Mail- und Telefonkontakt." Nachdem auch die Revision gescheitert war, verlangte diese Kanzlei laut Albrecht plötzlich 2000 Euro, obwohl sie bereits von der Rechtsschutzversicherung bezahlt worden war. Der frühere Altenstädter weigert sich bis heute, diese Summe zu überweisen. Deswegen wandte sich die österreichische Kanzlei 2018 an ein österreichisches Gericht und verklagte den IT-Experten.
Der hat sich inzwischen einen Bonner Anwalt genommen und sich in Sachen Verbraucherrecht schlau gemacht. Dabei stieß er seiner Ansicht nach auf eine Lücke in der europäischen Gesetzgebung und wandte sich an den Petitionsausschuss des Europaparlaments. Sein Anliegen: Die europäische Verordnung Nr. 1215/2012 sei zu lax. Sie sehe zwar vor, dass bei Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Vertragspartnern in der EU der Wohnort des schwächeren Partners, in erster Linie des Verbrauchers, Gerichtsstandort sein soll, die Praxis sehe aber anders aus. Albrechts Verdacht: "Die haben es mit den 2000 Euro einfach mal versucht, weil an diesem österreichischen Gericht alle unter einer Decke stecken." Mit anderen Worten: Vor einem deutschen Gericht hätten sich die Austro-Anwälte dies nicht getraut.
Immerhin hat das Europaparlament Albrechts Petition Nr. 0852/2018 inzwischen akzeptiert und an die europäische Kommission in Brüssel weitergeleitet. Die Kommission äußerte sich im Mai dieses Jahres in einer Stellungnahme jedoch sehr zurückhaltend: Die gerichtliche Zuständigkeit am Wohnort des Verbrauchers sei "nicht ausschließlich". Zudem gelte die Regel, dass das zwischen den streitenden Parteien zuerst angerufene Gericht über seine weitere Zuständigkeit entscheiden darf. Im vorliegenden Fall dürfe ein deutsches Gericht die Entscheidung aus Österreich nur formell überprüfen, inhaltlich aber nicht.
Diese rein formelle Prüfung konterkariere den europäischen Verbraucherschutz, schrieb Albrecht im Sommer erneut eine Stellungnahme an den Petitionsausschuss, wo der Vorgang nach wie vor offen ist. Auf NT-Nachfrage teilte eine Sprecherin mit, dass Albrechts Einwände erneut der EU-Kommission zugeleitet werden. Bis wann sie antwortet, stehe aber noch nicht fest.
Einen Teilerfolg hat der 44-Jährige seitdem aber schon verbucht. Von der Forderung nach 2000 Euro aus Österreich hat er seit über einem Jahr nichts mehr gehört. Allerdings können die Kläger drei Jahre lang ihre Forderung aufrechterhalten.














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