Christian Endemann wurde am 13. Mai 1945 durch die amerikanische Militärregierung als kommissarischer Oberbürgermeister Ambergs eingesetzt. Der SPD-Stadtverband hatte dafür auf den Tag genau 75 Jahre später in der Spitalkirche eine Gedenkveranstaltung geplant. Der Termin musste wegen der derzeitigen Corona-Lage abgesagt werden. Dieter Weiß hat den Lebensweg Endemanns, nach dem im Stadtgebiet eine Straße benannt ist, recherchiert und nachgezeichnet. Er erinnert an die Geschehen fünf Tage nach Kriegsende.
Zeit des Terrors und Hasses
"Der Strich unter dem Abschnitt einer Zeit des Terrors und des Hasses: Die Nazi-Verbrecher sind geflohen oder tot, die Stadt in Elend und Not!" Diesen Eintrag schrieb Endemann nach seiner Berufung durch die amerikanische Militärregierung zum Oberbürgermeister in das Goldene Buch der Stadt. Am 22. April 1945 war Amberg durch die amerikanischen Truppen befreit worden.
Weiß wörtlich: "Für Christian Endemann gilt, dass er in breiten Kreisen Ambergs unbekannt ist. Es gibt zwar eine Straße am Eisberg, die nach ihm benannt ist. Aber die Persönlichkeit des Namensgebers ist in Vergessenheit geraten." Das soll sich ändern. Endemann wurde am 3. Januar 1885 im oberfränkischen Fattigau bei Hof als Sohn eines Eisenwerksarbeiters geboren. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er in Marktredwitz eine Lehre als Eisengießer und übte diesen Beruf auch in den Folgejahren aus. 1908 trat er in die SPD ein. Nach seinen Erlebnissen an der Front des Ersten Weltkrieges trat er 1917 zur Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) über. Der Anti-Kriegs-Flügel der Sozialdemokraten hatte sich aus Protest gegen die Burgfriedenspolitik von der SPD abgespalten.
Im Bayerischen Landtag
Anfang Dezember 1918 trat Endemann die Stelle des Geschäftsführers des Deutschen Metallarbeiterverbands in Amberg an. Die Geschäftsstelle befand sich im Haus Kaiser-Ludwig-Ring 13. Dort wohnte er auch mit seiner Frau Maria und den beiden Töchtern. 1922 kehrte Endemann zur SPD zurück. Ein Jahr später war er Gründungsmitglied der Arbeiterwohlfahrt in Amberg. 1924 wurde er für den Stimmkreis Amberg/Eschenbach/Sulzbach als Abgeordneter in den Bayerischen Landtag gewählt. Vielfach kritisierte er laut Dieter Weiß das Lohndumping in den staatlichen Betrieben des Freistaates wie zum Beispiel in der Luitpoldhütte. 1927 wurde Endemann zum Vorsitzenden des SPD-Unterbezirks Amberg gewählt. Zwei Jahre später zog er erstmals in den Amberger Stadtrat ein.
Dieter Weiß: "Viele Jahre hatte Christian Endemann gegen die Nationalsozialisten gekämpft. Am 30. Januar 1933 musste er miterleben, wie die Nazis mit Hilfe konservativer Parteien an die Macht kamen und den Reichskanzler stellten. Er musste mit ansehen, wie die Nationalsozialisten diese Machtergreifung in Amberg mit einem großen Fackelzug zum Marktplatz feierten." Es begannen zwölf finstere und mörderische Jahre.
Aus Stadtrat entfernt
Durch einen nationalsozialistischen Willkürakt endete am 22. April 1933 Endemanns Zeit im Stadtrat. Die kommunalen Gremien wurden durch das Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich entsprechend dem Ergebnis der Reichstagswahl besetzt. Der Amberger Stadtrat wurde von 30 auf 20 Sitze reduziert. Die SPD verlor dadurch fünf Ratsmitglieder. Das endgültige Aus für die Amberger SPD-Stadträte kam am 17. Juni 1933. In einer Ministerialbekanntmachung wurde ihnen die Teilnahme an den Stadtratssitzungen verboten. Bereits am 30. März 1933 wurde Endemann laut Weiß bis zum 1. Mai in Schutzhaft im Landgerichtsgefängnis Amberg genommen. Weiß wörtlich: "Schutzhaft - ein verharmlosender Begriff für das brutale Wegsperren Andersdenkender."
Nach Dachau ins KZ
Im Juni 1933 wurde Endemann als Gewerkschaftsgeschäftsführer entlassen. Der Grund: Er soll Gewerkschaftsgelder veruntreut haben. Selbst Nazifunktionäre gestanden laut Recherchen von Weiß später ein, dass diese Behauptung nur vorgeschoben war. Doch das war erst der Beginn einer Schreckenszeit. Am 30. Juni 1933 wurde die gesamte SPD-Fraktion verhaftet. 13 Mitglieder wurden ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Zwölf lange Monate war Endemann in Dachau eingesperrt: "Ab dem ersten Tag wurde er entrechtet, gedemütigt und geschlagen." Im Juni 1935 wurde Endemann entlassen, doch schon im Juli 1935 wieder verhaftet. Der Erste Strafsenat des Oberlandesgerichts München sprach ihn im Oktober 1935 vom Vorwurf der Vorbereitung zum Hochverrat frei. Der Freispruch hinderte die Nazis jedoch nicht daran den Genossen Endemann erneut ab 7. November 1936 im KZ Dachau in Schutzhaft zu nehmen. Anscheinend genügte das der Lagerleitung laut Weiß noch nicht. Sie steckten Endemann für 30 Monate in den Bunker. Doch: "Auch diese schlimme Zeit konnte nicht die Würde und Überzeugung des Sozialdemokraten brechen."
Aus Haft entlassen
Am 22. April 1939 wurde Christian Endemann aus der Haft entlassen. Er kehrte mit schweren gesundheitlichen Schäden nach Amberg zurück. Dieter Weiß: "Von diesen Schäden sollte er sich Zeit seines Lebens nicht mehr erholen." Im Jahr 1942 fand er eine Anstellung bei der Volksbank Amberg. Ruhe fand der Genosse Endemann aber nicht. Anscheinend war er immer noch ein gefährlicher Gegner des Naziregimes, das mittlerweile die Welt in den Zweiten Weltkrieg gestürzt hatte. Im Rahmen der Sonderaktion "Gitter" wurden im gesamten Reich Tausende von Regimegegner am 22. August 1944 verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Auch Christian Endemann blieb von dieser Maßnahme nicht verschont. Die Gestapo Regensburg schickte ihn in das Konzentrationslager Flossenbürg. Seine Entlassung erfolgte mit Genehmigung des Reichssicherheitshauptamtes am 22. Januar 1945. Drei Monate später befreiten amerikanische Truppen die Stadt.
Der bisherige Bürgermeister Sebastian Regler übergab am 22. April kampflos die Stadt an die Amerikaner. Die Amtsgeschäfte sollte er weiterführen. Am 13. Mai 1945 enthob ihn die amerikanische Militärregierung seines Amtes und ernannte Christian Endemann zum Oberbürgermeister der Stadt. Bis Herbst 1945 nahm die Einwohnerzahl sprunghaft zu. Endemann schrieb hierzu: "Die Stadt Amberg hat zu viele Einwohner. Bei einer Zählung am 31. Oktober 1945 ergab sich, dass die Stadt 43 364 Einwohner hat. Davon 11 309 Flüchtlinge und Evakuierte." 1933 war Endemann von den Nationalsozialisten als Geschäftsführer seiner Gewerkschaft mit dem Vorwand entlassen worden, er hätte Gewerkschaftsgelder veruntreut. Als Oberbürgermeister und somit auch städtischer Polizeichef, ließ er nun ermitteln, was mit den Geldern der NSDAP und ihrer zahlreichen Unterorganisationen geschehen war. Es wurde aufgedeckt, dass sich die Vorsitzenden dieser Gruppierungen - trotz des erwarteten Endsieges - sicherheitshalber ihre Gehälter ein halbes Jahr im Voraus auszahlen ließen.
Und eine weitere Mammutaufgabe hatte Endemann zu bewältigen. Er musste die erste demokratische Gemeindewahl nach Krieg und Terror 1946 vorbereiten. Das demokratische System in der Stadt hatten die Nazis zerstört. Es gab keine Parteien mehr. Die amerikanische Militärregierung genehmigte am 19. September 1945 die Wiedergründung des SPD-Stadtverbandes. Am 26. Mai 1946 fand die erste Gemeindewahl nach dem Krieg statt.
Auf Wahl verzichtet
Zur Wahl standen drei Parteien: SPD, KPD und CSU. Die SPD erhielt 9 Sitze im neugebildeten Stadtrat (CSU 21, KPD 1). In der konstituierenden Stadtratssitzung kandidierte Christian Endemann nicht für das Amt des Oberbürgermeisters. Er war jedoch bis 1948 hauptamtlicher Zweiter Bürgermeister. Endemann war später auch wieder Abgeordneter des Bayerischen Landtags: - von 1946 bis 1950. Als Delegierter nahm er 1949 zudem an der ersten Bundesversammlung teil. Am 30. Mai 1950 starb Christian Endemann. Seine letzte Ruhestätte fand er im Dreifaltigkeitsfriedhof. Das Grab gibt es nicht mehr. Es wurde 1989 aufgelassen. Die Stadt hat ihm zu Ehren eine Straße benannt.
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