"Die sogenannte Herbst- oder Winterdepression trifft etwa ein Viertel aller Deutschen.", erklärt Dr. Willy Müller, Oberarzt an der Psychiatrie an der Medbo-Klinik in Amberg. "Betroffene wollen ständig schlafen und haben Heißhunger auf Süßes oder kohlenhydratreiche Nahrung - das ist typisch für die saisonal abhängige Depression."
Im Herbst werden die Tage kürzer. Ist der Himmel zudem oft bewölkt, fehlt das Tageslicht. Das bräuchte der Körper aber, um die Produktion von Melatonin zu unterdrücken. "Dieses Hormon reguliert unser Schlafbedürfnis. Wird es dunkel, steigt der Melatoninspiegel und signalisiert dem Körper, dass nun Schlafenszeit ist", sagt Müller. Gleichzeitig sinkt wegen der fehlenden Sonnenstrahlen die Menge des Glückshormons Serotonin. "Durch diese neurochemischen Vorgänge werden die Betroffenen schläfrig und niedergeschlagen." Bei einem harmlosen Stimmungstief können Betroffene selbst viel tun. Müllers Tipp: "Raus an die frische Luft. Denn auch an einem bewölkten Tag bekommt man draußen etwa 60-mal mehr Licht als in einer geschlossenen Wohnung", erklärt der Psychiater. Idealerweise kombiniert man den Aufenthalt im Freien mit etwas Bewegung, zum Beispiel einem Spaziergang oder Radfahren. "Auf dem Speiseplan sollte ausreichend saisonales, heimisches Obst und Gemüse stehen, denn eine gute Versorgung mit Vitaminen ist in den Wintermonaten besonders wichtig." Wichtig sei es auch, sich schöne Momente zu schaffen, etwa Freunde zu treffen oder ein verwöhnendes Bad zu nehmen. Auch genügend Helligkeit in der Wohnung helfe in der Regel gegen trübe Laune.
Aus dem Herbstblues kann aber eine richtige Depression werden. Dinge, die sonst Freude bereitet haben, können dann die Stimmung nicht mehr aufhellen. "Schaffen es Betroffene nicht mehr, ihren Alltag zu bewältigen, und fühlen sich schnell überfordert, ist das ein Warnsignal", sagt Müller. Halten Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit über mehrere Wochen an, empfiehlt der Psychiater einen Termin beim Arzt. Nicht immer ist die Jahreszeit verantwortlich. Auch eine Schilddrüsenunterfunktion oder ein Vitaminmangel können zu fehlendem Antrieb und Müdigkeit führen.
"Bei einer Herbst- oder Winterdepression steht die Lichttherapie an erster Stelle", erklärt Oberarzt Müller. Dabei sitzt der Patient für eine bestimmte Zeit morgens vor einer weißen Lampe. Diese leuchtet deutlich heller als eine herkömmliche Zimmerbeleuchtung. "So fällt mehr Licht auf die Netzhaut der Augen, wodurch das Schlafhormon Melatonin abgebaut wird.", sagt der Psychiater. Die Behandlung wird über zwei bis drei Wochen täglich durchgeführt. Ein Großteil der Patienten fühlt sich danach deutlich besser.
Reicht das nicht aus, kann der Arzt Antidepressiva verschreiben. Diese erhöhen den Spiegel des Glückshormons Serotonin. "Oft ist eine zusätzliche Psychotherapie sinnvoll", fügt Müller an. Sie könne zu einem positiveren Denken und einem besseren Selbstbild verhelfen. "Patienten mit einer Herbstdepression haben eine günstige Prognose", sagt Dr. Müller.
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