ONETZ: Herr Reif, die Welt ist im Wandel. Trifft das auch auf unsere Region zu?
Natürlich, auch die Region ist im Wandel und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wirtschaftlich äußerst positiv entwickelt. Ich stamme aus Sulzbach-Rosenberg und habe den Niedergang der Maxhütte zum Beispiel noch gut in Erinnerung. Das war ein Schock. Inzwischen haben sich dort aber längst andere erfolgreiche Betriebe angesiedelt. Heute boomt die ganze Region. Das zeigt, dass die Menschen die richtigen Antworten auf Fragen gefunden haben, die der Wandel stellt. Wir haben heute eine gesunde mittelständische Struktur, mit oft inhabergeführten Unternehmen, die zu Global Playern und Hidden Champions in ihrem Segment herangereift sind. Dieser Erfolg wäre meines Erachtens ohne die Ostbayerische Technische Hochschule nicht möglich gewesen. Unsere Unternehmen sind sehr innovativ, haben engagierte Arbeitskräfte und können sich über vernünftige regionale Rahmenbedingungen freuen.
ONETZ: Amberg ist traditionell ein starker Industriestandort ...
... und fällt als Motor für den Wirtschaftsraum die Schlüsselrolle zu, ja. Auch hier ist neben den großen Unternehmen wie Siemens oder Grammer ein zumeist inhabergeführter Mittelstand herangewachsen, der sehr wandlungsfähig und innovativ ist und im Wettbewerb international hervorragend gut dasteht. Denken Sie beispielsweise an Herding, Deprag, Baumann oder Lüdecke. Ich habe für Sie nochmal im Statistik-Ordner nachgesehen: Zahlen aus dem Jahr 2017 bescheinigen der Stadt Amberg eine Industriedichte von 211, das heißt von 1000 Beschäftigten arbeiteten hier 211 Menschen in der Industrie. In Regensburg sieht es ähnlich aus, im IHK-Bezirk lag die Industriedichte allerdings lediglich bei 123, im Bayern-Schnitt bei 99. Das verarbeitende Gewerbe der Stadt Amberg hat 2017 12,5 Prozent mehr Umsatz erzielt als im Vorjahr, im Landkreis war es eine Steigerung von 7,3 Prozent, bayernweit 5,6 Prozent. Zugleich ist die Amberger Industrie international sehr wettbewerbsfähig: Sage und schreibe 80 Prozent ihrer Produkte gehen in den Export. Stadt und Landkreis zusammengenommen liegen bei 67 Prozent. Zum Vergleich: Im IHK-Bezirk liegt die Exportquote bei etwa 59 Prozent, bayernweit bei knapp 55 Prozent.
ONETZ: Die Vorzeichen für den internationalen Handel ändern sich. Ist da eine hohe Exportquote nicht von Nachteil?
Das bedeutet zunächst einmal, dass unsere Produkte so gut sind, dass sie auf der ganzen Welt nachgefragt werden. Zugleich müssen wir erkennen: Zwei von drei Arbeitsplätzen in unserer Industrie hängen vom Weltmarkt und dem freien Zugang zu den Märkten ab. Wir müssen wachsam sein. Ich sehe bei uns in der Region aber eine Wirtschaft, die gut aufgestellt ist. Die Unternehmen haben nach der Krise gelernt und in ihre eigene Stärke investiert, was man zum Beispiel an den gestiegenen Eigenkapitalquoten erkennt. Trotzdem: Abschottung schadet dem weltweiten Wohlstand, Freihandelsabkommen dagegen bieten klare, faire und gute Spielregeln für den gegenseitigen Marktzutritt.
ONETZ: Gewandelt hat sich auch der Arbeitsmarkt.
Es ist ein Wettbewerb um die besten Köpfe entstanden, ja. Auch hier erweist sich die OTH als Vorteil. Gerade in technischen Berufen haben wir hohen Bedarf. Dabei geht es nicht nur um Akademiker, sondern vor allem auch um gut ausgebildete Fachkräfte. Viele Unternehmen haben erkannt: Nicht nur die Bezahlung, auch die Mitarbeiterwertschätzung und das Betriebsklima sind wichtig. Die Menschen wollen eigenverantwortlich handeln. Arbeiten muss so interessant wie möglich gestaltet werden. Zum anderen muss die Politik aktiv werden: Wir brauchen zum Beispiel ein Einwanderungsgesetz, um qualifizierte Menschen aus anderen Ländern in die Unternehmen zu bringen.
ONETZ: Wie wird die Digitalisierung die Oberpfalz verändern?
Viele Berufsbilder werden sich wandeln, vielleicht verschwinden. Andere werden neu entstehen. Die Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter fit machen für die digitale Zukunft. Ich finde jedoch, dass man vor allem die Chancen sehen sollte. Gerade für den ländlichen Raum. Wer digital arbeitet, muss seinen Arbeitsplatz nicht in einem teuren Ballungszentrum haben. Statt in München kann der Mitarbeiter genauso gut im Landkreis Amberg-Sulzbach seinen Arbeitsplatz haben. Gerade der ländliche Raum bietet in der digitalisierten Welt große Vorteile. Das können wir heute schon beobachten.
ONETZ: Wie kann die Politik den regionalen Wandel begleiten?
Großen Handlungsbedarf haben wir in der digitalen Infrastruktur. Hier muss dringend mehr investiert und ausgebaut werden. Daneben müssen wir bürokratische Hürden abbauen: Gerade kleine Unternehmen leiden darunter, wenn sie zeitraubende Vorschriften auf dem Tisch haben, die mit ihrem Kerngeschäft nichts zu tun haben. Das kostet Zeit, Nerven und Geld. Als IHK fordern wir darüber hinaus eine steuerliche Entlastung für Unternehmen und Arbeitnehmer. Schauen wir auf die Demografie, erkennen wir, dass wir auf lange Frist einen Sozialstaat brauchen, der finanzierbar bleibt. Und wir müssen mehr in die Bildung investieren. Das ist unser wichtigstes Kapital. Bei all diesen Dingen ist zwar die große Politik gefordert, es schlägt aber voll auf uns durch. Stimmen die Rahmenbedingungen, spüren wir das auch in Amberg und im Landkreis.
Gerade der ländliche Raum bietet in der digitalisierten Welt viele Vorteile.
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