Meinung: Amberg sucht noch immer die richtigen Worte für den Tod von Klaus-Peter Beer

Amberg
10.09.2023 - 10:47 Uhr
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1995 musste Klaus-Peter Beer sterben, weil er schwul war. Neonazis hatten ihn attackiert und an der Vils zurückgelassen, wo er starb. Noch immer tut sich Amberg schwer, dafür die richtigen Worte zu finden. Ein Kommentar von Thomas Kosarew.

Kommentar von Thomas Kosarew
So bunt und so vielfältig wie Amberg sind auch die Schilder, die bei der Brücke im Stadtgraben für ein friedvolles Miteinander werben.

Der Amberger Klaus-Peter Beer wurde von zwei Neonazis zusammengeschlagen und bewusstlos in die Vils geworfen, wo er am 7. September 1995 starb. Weil er schwul war. Das passte nicht in das Weltbild der Täter, die zu Gefängnisstrafen zwischen acht und zwölf Jahren verurteilt wurden.

In den fast 30 Jahren danach hatte und hat Amberg offenbar immer noch große Schwierigkeiten, mit diesem Fall angemessen umzugehen. Es dauerte bis zum Herbst 2020, als unweit der Stelle, an der Beer hilflos zurückgelassen wurde, Schilder aufgestellt wurden, auf denen die Wörter Menschlichkeit, Sympathie, Respekt, Demokratie, Hilfsbereitschaft, Freiheit, Toleranz und Empathie stehen. Erst ein Jahr später (2021) wurde Beer in der Statistik des Polizeipräsidiums Oberpfalz und des Landeskriminalamts offiziell als Opfer rechtsmotivierter Gewalt erfasst. Ein weiteres Jahr danach (2022) wurde eine Gedenktafel am Vilssteg im Boden installiert. Jetzt, 2023, folgt der gefühlte Rückschritt bei der Aufarbeitung.

Bei der Mahnwache zu Ehren Beers fiel am Donnerstagabend am Marktplatz wiederholt das Wort „Mord“, ebenso am Freitag bei einem Wahlkampftermin der Grünen. „Mord“, ein Wort, das sich im Beer-Zusammenhang übrigens auch noch immer auf der Homepage der Stadt findet – aber nachweislich falsch ist. Die Jugendkammer am Landgericht Amberg sprach die Täter im Februar 1997 in erster Instanz der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Wegen eines Verfahrensfehlers wurde im April 1998 erneut verhandelt. Es blieb bei der Höhe der Haftstrafen, allerdings wegen Totschlags.

„Für uns war es Mord“, hieß es am Freitag vonseiten der Kunterbunt-Community, die beispielsweise den Christopher Street Day in Amberg organisiert. Wer wider besseres Wissen offenbar ganz bewusst falsche Begriffe verwendet, hat etwas nicht begriffen. Wir alle sollten uns glücklich schätzen, in einem Land leben zu dürfen, in dem man sich nicht einfach so über die Justiz und ihre Rechtsprechung hinwegsetzen und sein eigenes Urteil fällen kann, das dann Allgemeingültigkeit besitzen soll. Wenn das jeder machte und dürfte, lebten wir in einer Anarchie. Das kann keiner wollen. Wenn Amberg adäquat mit dem Fall Beer umgehen möchte, sollten wir nicht nur zurückblicken.

Ja, die Vergangenheit ist wichtig, sie kann die Zukunft aber nicht verändern. Das kann nur das Hier und Jetzt, das können nur wir alle. Wer einen zu erwartenden oder zumindest zu befürchtenden politischen Rechtsruck verhindern möchte, der sollte, falls er es noch nicht macht, beginnen, sich entsprechend zu verhalten. Falsche Darstellungen sind da keine Hilfe. Sie liefern der rechten Szene nur neue Munition.

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Amberg10.09.2023
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