Luise Kinseher hat sich längst aus dem Gros der Kabarettisten an die Spitze gearbeitet. Sprungbrett war sicherlich 2010 ihr Auftritt auf dem Nockherberg, wo sie beim traditionellen Politiker-Derblecken etliche Jahre in die Rolle der Bavaria schlüpfte und als erste Frau die Salvatorrede hielt. Vom Passauer Scharfrichterbeil bis zum Sigi-Sommer-Taler heimste sie bereits jede Menge Auszeichnungen ein. Heuer wurde sie mit einem der renommiertesten Kleinkunstpreise im deutschen Sprachraum ausgezeichnet, dem Salzburger Stier.
Ihr neues Programm ist ein kunterbuntes Durcheinander, eine absonderliche Geschichte mit völlig absurden Gegebenheiten und vielen gescheiten Gedanken: Eine verwitwete Immobilienbesitzerin siedelt auf die Aida um und plaudert mit den Möwen, eine Mieterin berichtet von ihren Sorgen, denn in ihrem Wohnzimmer wuchern Pilze und nisten Kanarienvögel. Schuld daran ist ein Loch im Parkett, worin so ziemlich alles verschwindet, das gesamte Mobiliar und außerdem viele aktuelle Themen. Zwei Stunden hält sie die Spannung, kokettiert mit dem Publikum in der ersten Reihe und zwinkert dem jüngsten Besucher Clemens verschwörerisch zu.
Die resolute Rentnerin Helga
Der Kabarettabend beginnt wie Dürrenmatts tragische Komödie „Der Besuch der alten Dame“. Energischer Auftritt mit Stock, streng nach hinten gekämmtes Haar und ernster Blick. "Heinz ist tot. An Corona gestorben“, verkündet die resolute Rentnerin Helga. Jetzt habe sie von der Rolex bis zum Mietshaus alles verkauft – und will ihren Lebensabend auf dem Luxusdampfer verbringen.
Ab sofort wird die Geschichte immer skurriler, greift eine Episode in die andere und leicht bayerisch-politisch wird sie auch. "Ich meine, damals war ja der Verlust der absoluten Mehrheit der CSU so was wie der bayerische Mauerfall. Der Abriss der Vollpfosten der Geschichte – Strauß, Stoiber, Seehofer. Aber jetzt tun ja die Freien Wähler mitregieren, der Hubsi. Fleisch vom Fleisch der CSU, bloß nicht so abgehangen."
Die geliftete Frau Holle
Es wird im Wald gebadet, der Baum umarmt, im Moos gehorcht und das Buchenblatt gelesen. Über Frau Holle wird nachgedacht. Die hat sich inzwischen liften lassen und ein Bleaching für strahlend weiße Zähne absolviert. Und überhaupt seien Märchen frauenfeindlich: "Da kommen ja nur Stiefmütter vor, Hexen und dummblöde Prinzessinnen." Auch über neue Leitbilder und Wappentiere macht sich die Kinseher Gedanken. Löwen wie im bayerischen Wappen findet sie nicht mehr zeitgemäß, weil sie doch eigentlich den ganzen Tag nur fressen und schlafen: "Ich bin für die Kuh. Warum auch nicht? Jede vierte Kuh in Deutschland steht in Bayern. Auf die ist auch Verlass, weil sie dort bleibt, wo man sie hinstellt, diese Kuh. Weil sie die Heimat in sich selbst genügsam empfindet."
Anspruchsvoll dagegen ist das Kammerspiel, das die Kinseher gekonnt auf die Bühne bringt. Ohne großen Dekorationsaufwand, mit nur wenig Farbe aus Licht und einem Barhocker, gestaltete sie das Spiel. Einmal mit Mantel, dann mit blauem Hosenensemble plus weißer Bluse und natürlich im geblümten Morgenmantel, so zeichnet sie die unterschiedlichen Charaktere der Figuren. Für Auflockerung sorgt eben "Mary from Bavary", die sich ebenfalls verändert hat: Zwar nach wie vor beschickert und vernuschelt, hat sie sich von der Rock-Queen ins Opernfach und zur Hochkultur vorgearbeitet. Als Schumann-Interpretin ("Die Sehnsucht") und "Königin der Nacht" mit Wikingerhelm setzt sie neue Akzente und begeistert auch als Sängerin mit beachtlicher Stimme.
Anna, die junge Dame am Einlass und Schülerin am Amberger Gregor-Mendel-Gymnasium, fasst ihre Meinung zum Kinseher-Abend so zusammen: „Das ist nicht ganz mein Humor, aber die Themen, die sie anspricht, sind interessant.“
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