Amberg
03.02.2025 - 11:12 Uhr

Amberger Stadtentwicklung: Vortrag über historische Fehler

In Amberg wurde Denkmalschutz lange klein geschrieben, stattdessen wurde mit der Spitzhacke das historische Stadtbild radikal verändert. Ein Vortrag im Ring-Theater gab jetzt Einblicke.

Etwa 60 Ambergerinnen und Amberger folgten am vergangenen Mittwoch einer Einladung der Interessengemeinschaft Menschengerechte Stadt ins Ringtheater, um sich gemeinsam mit Marina Jung den Pleiten und Pannen der Stadtentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg zu widmen, die Amberg zweifelhaften Ruhm einbrachten. Im offiziellen Jahr des Europäischen Denkmalschutzes 1975 wurde landesweit publik: "In Amberg siegt die Spitzhacke über den Denkmalschutz." So stand es zumindest in der Süddeutschen Zeitung geschrieben.

Jung, die zum Thema "Stadtplanung, Altstadtsanierung und Denkmalpflege in Amberg 1945-1974" promoviert hat, zeichnete in ihrem Vortrag den aus ihrer Sicht erschreckenden Umgang der verantwortlichen Stadtväter mit der historischen Bausubstanz nach. Wozu alliierte Bomben nicht in der Lage gewesen waren, sahen sie sich nun imstande: Die teilweise "Zerstörung" der Amberger Altstadt erfolgte im Wesentlichen erst nach dem Krieg.

Ganze Stadtviertel fallen dem Modernisierungswahn zum Opfer

Als "zugereiste" Wissenschaftlerin beschreibt sie nüchtern, was einheimische Gemüter durchaus zu erhitzen vermag, wie etwa das berüchtigte "Sanierungesgebiet A", um den heutigen Paradiesplatz, wo ein ganzes Stadtviertel dem damaligen Zeitgeist zum Opfer fallen musste. Oder die rigorose Umgestaltung des Stadtgrabens zugunsten eines Parkhauses und der Abriss des alten Rathauscafés in der Altstadt, das ohne Not gegen einen "modernen", hässlichen Zweckbau ersetzt wurde, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Gründe für zahlreiche Bausünden finden sich in der großen Wohnungsnot nach dem Krieg oder dem gesteigerten Individualverkehr, als sich in den Köpfen der Stadtplaner deutschlandweit die Ideologie der "autofreundlichen Stadt" festgesetzt hatte. In Amberg setzte man vor allem auf die Ideen Kurt Leibbrands, der zahlreiche Städte in städteplanerisches Unglück führte; auch im benachbarten Regensburg verbreitete er gar "Angst und Schrecken".

Widerstand in der Stadt

Dabei hätte es noch weitaus schlimmer kommen können: Leibbrands Vorschlag, gewaltige Straßenzüge durch die Altstadt zu treiben, scheiterte daran, dass es der Stadtkasse schlichtweg an Geld für das Projekt fehlte. Und auch der Wille zum Widerstand in der Bevölkerung gegen die weitere Zerstörung der Altstadt wuchs an.

Das führte 1973 schließlich zum "Baumkrieg", um etwa 460 Bäume im Stadtgebiet zu retten. Zwar vergeblich, auch die bayerischen Denkmal- und Naturschutzgesetze kamen einige Monate zu spät, jedoch wurde klar, dass es in Zukunft deutlich schwieriger sein würde, Projekte gegen den Willen der Bürger umzusetzen.

Wer nach dem Vortrag aus dem Ringtheater tritt und die Baugrube des ehemaligen Bürgerspitals vor sich hat, versteht, warum Jung ihre Arbeit als Mahnung verstanden wissen will, in Zukunft pflegsamer mit der historischen Altstadt und ihrem Gesamtbild umzugehen, damit sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Der tobende Applaus der Anwesenden sprach für sich.

 
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